Von Mai bis Juli besprühen Helikopter Rebberge mit Pestiziden – vor allem im Kanton Wallis, aber auch in der Waadt und in den Kantonen Neuenburg, Genf sowie Bern. Alle zwei Wochen finden Sprühflüge statt.
Laut dem Bundesamt für Umwelt besprühen die Helikopter pro Jahr total 1850 Hektaren Reben und 370 Hektaren Aprikosenplantagen. Das entspricht 3100 Fussballfeldern oder der Fläche des Kantons Basel-Stadt.
Auftraggeber sind Bauern. Sie sagen, dass sie nur so die Pflanzen an den steilen Hängen gegen Schädlinge schützen könnten und die Handarbeit reduzieren. Kritiker sprechen von einer unnötig hohen Umweltbelastung durch krebserregende Stoffe. Diese gefährden Bienen, Schmetterlinge, die Artenvielfalt und das Grundwasser.
Umso erstaunlicher muten die neuen Sicherheitsauflagen an, die das Bundesamt für Umwelt vor kurzem formuliert hat:
- Helikopter sollen künftig Pestizide bis zu einer Distanz von 30 Metern zur Grundwasserschutzzone S1 versprühen dürfen. In den S1-Zonen befinden sich die Trinkwasserfassungen. Bisher betrug die minimale Distanz 60 Meter.
- Sprühflüge müssen neu nur noch maximal 30 statt 60 Meter Abstand zu biologisch bewirtschafteten Flächen wahren. Dasselbe gilt für Gewässer, Naturschutzgebiete, Moore, Wälder oder Hecken.
- Helis dürfen Pestizide bis auf 30 Meter Abstand zu bewohnten Gebäuden versprühen. Bisher begann die Schutzzone bei 60 Metern.
Roman Wiget vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches, einem Zusammenschluss der Wasserversorger, lehnt eine Verkürzung der Sicherheitsabstände zu den S1-Zonen vehement ab: «Wir gefährden sonst unser Trinkwasser.» Auch für Martin Bossard von Bio Suisse steht fest, dass «wir nur mit 60 Metern auf der sicheren Seite sind». Denn die Zulassungsbehörden würden neue Pestizide häufig für harmloser halten, als sie wirklich sind.
Helikopter versprühen krebserregende Stoffe
Seit 2005 zog das Bundesamt für Landwirtschaft 125 zugelassene Substanzen aus dem Verkehr. Sie hatten sich aufgrund neuer Studien als gefährlich oder unsicher entpuppt (saldo 8/15). Auch heute noch verspritzen die Helikopter aber heikle Gifte. Das Bundesamt für Landwirtschaft stuft etwa das oft verwendete Antipilzmittel Folpet als «vermutlich krebserzeugend» ein.
Harscher reagieren Bio-Bauern. Für Hans-Peter Schmidt, Bio-Winzer aus Arbaz VS, sind die neuen Regeln des Bundesamts ein «Skandal». Er schätzt, dass «mehr als ein Drittel der im Wallis aus der Luft bespritzten Flächen ohnehin nicht regelkonform behandelt werden». Die Piloten besprühten oft auch Kanäle, Strassen oder Bio-Flächen.
Nach der Erfahrung von Bruno Martin, Bio-Winzer aus Ligerz BE, starten viele Helikopter auch, wenn der Wind stärker als 5 Meter pro Sekunde bläst – und Sprühflüge verboten sind. Folge: Bei zwei von fünf Flügen landen Pestizide auch ausserhalb der angepeilten Parzelle, etwa im Wald, auf Hecken oder ökologischen Ausgleichsflächen. Martin selbst musste mehrmals besprühte Bio-Trauben zu konventionell erzeugten Trauben herunterstufen. Er bezweifelt die Effizienz der Sprühflüge. Das Pflanzenschutzmittel gelange nicht auf die Blattunterseiten oder die Trauben. Folge: Die Pflanzen bleiben anfällig für Krankheiten wie Rebenmehltau. Nachbehandlungen sind nötig.
Winzer Bruno Martin kennt Alternativen: In steilen Lagen liessen sich widerstandsfähigere Rebsorten anbauen, die kaum Pflanzenschutz benötigen. Beide Winzer werfen den Behörden vor, zu lasch gegen Verstösse vorzugehen.
Bund bewilligt Ausnahmeanträge
Die Kantone Bern und Wallis bestreiten das. Das Wallis verweist darauf, dass der Bund die Oberaufsicht habe. Die Flüge würden vor Ort durch externe Sachverständige kontrolliert. Im Wallis habe es im letzten Jahr keine Verzeigungen gegeben.
Arttava, die Westschweizer Vereinigung für die Behandlungen von Pflanzenkulturen aus der Luft, bestreitet, dass häufig Verstösse passieren. Die Helikopterbetreiber legten ihre Flüge offen und würden von den Behörden ausreichend kontrolliert. Zudem seien nur Fungizide als Sprühmittel zugelassen.
Roland von Arx vom Bundesamt für Umwelt verteidigt die neuen Regeln als «faktische Verbesserung». Seine erstaunliche Begründung: Das Amt bewilligte bisher die Ausnahmeanträge der Betreiber, die den Sicherheitsabstand bei Sprühflügen auf bis zu 20 Meter verringern wollten. Das Amt verhängte Auflagen. Die Sicherheitsabstände würden laut von Arx aber oft nur ungenügend kontrolliert. Die neuen Regeln würden Ausnahmen verbieten. Und er verweist auf die Kantone: Diese müssten die Einhaltung der Vorschriften konsequent überwachen.
Die Schweiz hinkt auch so hinter den Nachbarn hinterher: In Frankreich müssen Sprühhelikopter stets 50 Meter Sicherheitsabstand zu bewohnten Häusern oder Grundwasserzonen einhalten – ausnahmslos.