MAX PETER AMMANN «Es war ein befreiendes Gefühl»
Max Peter Ammann (82) war Theater- und Filmregisseur sowie langjähriger Leiter der Abteilung Dramatik beim Schweizer Fernsehen. Nun legt er seinen autobiografisch grundierten Debüt-Roman vor.<br />
Inhalt
Kulturtipp 11/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Urs Hangartner
Im Rückblick auf seine Fernsehjahre kann Max Peter Ammann sagen: «Es waren besondere Zeiten. Wir haben Höhepunkte erlebt, die nicht jede Generation bekommt.» Zwischen 1975 und 1991 gab es geradezu «historische» Ereignisse.
Wie die abgebrochene Live-Sendung «Telebühne» 1980, als die im Studio anwesende Zürcher Jugendbewegung dadaistisch intervenierte. Oder aber «Sennentuntschi» 1981: Die Fernsehinszenierung von Hansj&oum...
Im Rückblick auf seine Fernsehjahre kann Max Peter Ammann sagen: «Es waren besondere Zeiten. Wir haben Höhepunkte erlebt, die nicht jede Generation bekommt.» Zwischen 1975 und 1991 gab es geradezu «historische» Ereignisse.
Wie die abgebrochene Live-Sendung «Telebühne» 1980, als die im Studio anwesende Zürcher Jugendbewegung dadaistisch intervenierte. Oder aber «Sennentuntschi» 1981: Die Fernsehinszenierung von Hansjörg Schneiders Stück zeitigte empörte Reaktionen und kam nur knapp an einer Konzessionsverletzungsklage (wegen Blasphemie) vorbei.
Max Peter Ammann erfand neue TV-Formate, wie eben «Telebühne» oder die Vorgängersendung «Telearena», später kamen «Telefilm» und «Limit» dazu: Fiktion, Theater oder Film als Ausgangspunkt, um das Thema aktuell mit Publikum vor der Kamera zu diskutieren. So wurden Kultur und Information quasi vereint. Ammann darf anmerken, dass gewisse seiner Sendungen «oft mehr Einschaltquoten hatten als Fussball». Und sie bewiesen: «Dramatik ist nicht einfach ‹ein Kulturbereichli›.»
Und heute? Ammann ging damals freiwillig vorzeitig, weil es nicht mehr vorwärtsging. Er verfolgt das Fernsehangebot nach wie vor fleissig und stellt fest, wie sich der dramatische Bereich nicht zum Guten entwickelt hat. Bedauert er den Wandel zum Einschaltquoten-TV? «Ich bin nicht enttäuscht», sagt er, «ich bin eigentlich zornig.» Dezidiert formuliert er: «Man missbraucht eine ganz grosse Stange Geld auf Kosten eines Auftrags, der einfach nicht mehr erfüllt wird.»
Max Peter Ammann ist mit 82 Roman-Debütant geworden. Mit einem Buch, das biografisch grundiert ist, den eigenen Lebensspuren entlang geschrieben. Mit Unterbrüchen und mehreren Fassungen hat ihn «Die Gottfriedkinder» mehr als zehn Jahre beschäftigt. «Drang» oder «Dringlichkeit» sind Worte, die im Zusammenhang mit dem Buch fallen: «Schreiben, erzählen wollen, das war etwas, das immer in mir war.» Ammann bietet in seinem Epochenroman eine Familien- und Mentalitätsgeschichte aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Schauplatz: Tugutswil, unschwer zu erkennen als Ammanns heimatliches Wil SG. Die Zeit: Vom Katholizismus geprägte, bleierne Jahre. Die Figur Marc vollzieht den Ausbruch aus der Enge, indem sie, wie Ammann, via Auslandsjahre als Lehrer schliesslich einen Weg im Theater findet. «Man kann durchaus von kathartisch oder therapeutisch sprechen», meint Ammann zu seinem Schreiben. «Mir ist etwas vom Herzen gefallen.» Das Bedrückende der jungen Jahre sei ihm noch einmal bewusst geworden, und als er das alles schreibend durchgemacht hatte, «hatte ich plötzlich ein befreiendes Gefühl».
[Buch]
Max Peter Ammann
Die Gottfriedkinder
346 Seiten
(Rotpunktverlag 2011).
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