Die Kassiererinnnen in der Migros sind nicht zu beneiden: «Haben Sie Cumulus?», müssen sie jeden Kunden fragen. Und dann müssen sie auch fragen, ob man Sticker sammelt.
Bei Coop haben die Verkäuferinnen nach der Supercard und dem Märkli-Bedarf für die Outdoor-Trophy zu fragen.
Millionen von Konten zu bewirtschaften
Das ist noch nicht alles: Bei der Migros gibt es ferner die Kundenkarte Famigros mit Angeboten und Rabatten speziell für Familien, Wettbewerbe wie Mega Win, Sammelaktionen und das Migros-Magazin. Coop setzt auf die Familienkarte Hello Family, Wettbewerbe wie Big Win, Bildchensammelaktionen, die Coopzeitung und den Weinclub Mondovino.
Damit soll die Treue der Kunden zum Laden erhöht werden. Die Kundenbindungsprogramme unterscheiden sich praktisch nicht voneinander. Was der eine neu bringt, kopiert der andere. Coop räumt ein: «In der Tat ähneln sich die Programme aus Kundenperspektive.» Das sei üblich bei Unternehmen, die zueinander im Wettbewerb ständen.
saldo wollte wissen, was die Programme kosten. Doch Migros wie Coop halten die Zahlen unter Verschluss. Bekannt ist: Laut der Medienstelle von Migros besitzen 2,8 Millionen Haushalte die Cumulus-Karte, Famigros kommt auf 370 000 Haushalte.
Im letzten Jahr zeigten die Migros-Kunden bei über 80 Prozent der Einkäufe die Cumulus-Karte. Das entspricht einem Einlösewert von 200 Millionen Franken. Bei Coop sind es laut Medienstelle 3,3 Millionen Supercard-Konten, 420 000 Haushalte mit Hello Family und 70 000 Mondovino-Mitglieder. Gesammelt haben die Kunden Superpunkte mit einem Einlösewert von 190 Millionen Franken.
Volkswirtschaftlicher Unsinn
Klar ist: All das kostet Geld. Geld, das in günstigere Warenpreise fliessen könnte. Der Nutzen für die Kunden wäre höher. Reiner Eichenberger, Professor an der Uni Freiburg: «Volkswirtschaftlich sind die Programme grossenteils Unsinn. Sie kosten viel und nützen den Konsumenten wenig bis nichts.»
Als «ethisch höchst fragwürdig» stuft Eichenberger die teils mit den Kundenprogrammen verbundenen «Preisdiskriminierungen» ein. So erhalten nur Famigros-Mitglieder 20 Prozent Rabatt auf Duvets und Kissen. Oder nur Leser der Coopzeitung, die einen Bon herausreissen, erhalten das Feldschlösschen-Bier mit über 40 Prozent Rabatt.
Anders die Detailhändler Aldi Suisse, Denner und Lidl. Die drei verzichten bewusst auf aufwendige Kundenbindungsprogramme und setzen stattdessen auf günstige Preise.