Für die Seinen ist er der «Ueli»: Huldrych Zwingli, der Zürcher Reformator (1484–1531). 1519 kommt er als sogenannter Leutpriester von Glarus nach Zürich ans Grossmünster. Bald sorgt er in der Stadt für Aufsehen. Er geisselt die Gier und die Prunksucht der Priesterschaft, wendet sich gegen den Ablasshandel und gegen seiner Ansicht nach manch anderen Auswuchs innerhalb der katholischen Kirche. Zwingli predigt auf Deutsch, er wird zusammen mit anderen die Bibel gut verständlich übersetzen, damit das Volk die Heilige Schrift selber lesen kann. Chorherr Hoffmann ermahnt den aufmüpfigen Zwingli einmal, vergebens: «Du chasch doch da nöd alles durenandbringe.»
Die Stadt ist zu Zwinglis Zeit ein dreckiger Ort. Es herrscht Armut, und die Pest wütet. Zwingli wird selber Opfer der Epidemie und überlebt, aber: «Jeder dritte Zürcher ist weggestorben.»
In der Fastenzeit geht es um die Wurst. Zwingli ist zwar mit dabei am Tisch, isst aber selber nichts davon, als Buchdrucker Froschauer und seine Gesellen gegen das Fleischverbot verstossen. Oder der Zölibat: Zwingli sagt Sätze wie «Was sölle mir Pfaffe mit öisere Brunft afange?» oder «Eigentlich sött de Bischof verhürotet si.» Zwingli selber heiratet die Kriegswitwe Anna Reinhart.
Natürlich findet er mit seinen revolutionären Ansichten keine Freunde beim katholischen Establishment. Anders die weltliche Obrigkeit. Der Rat von Zürich, allen voran Bürgermeister Röist, steht hinter ihm. Es kommt zum grossen Zwist in der Schweiz zwischen den «Altgläubigen» oder «Päpstlern» und den neuen Glaubenskräften.
Kostüm- und Historienfilm fürs grosse Publikum
Die Religion wird politisch, es geht nicht zuletzt um Macht. Es wird einen veritablen Konfessionskrieg geben, einen Bürgerkrieg. Zwingli ist mit dabei. Aus dem Gemetzel der zweiten Schlacht bei Kappel im Oktober 1531 kehrt er nicht zurück. Der Film zeigt es nicht mehr: Wie der Reformator im Feld vom Feind, vom Kampfverbund der Fünf Orte, schwer verwundet aufgegriffen, gevierteilt und verbrannt wurde.
Kurz nach der Nachricht von Zwinglis Tod sind die zwei Kinostunden um. Wer von «Zwingli» grosse Kunst erwartet, sitzt im falschen Film. Das Ganze erinnert an gängige Doku-Fiction-Beispiele aus dem Fernsehen («History»), wo Geschichte nachgespielt wird, solid didaktisch aufbereitet. Es ist ein Kostüm- und Historienfilm fürs grosse Publikum, das hier eine lebendige Lektion in Zürcher Reformationsgeschichte nachgereicht bekommt. Das Drehbuch verantwortet mit Simone Schmid eine ehemalige Journalistin, die unter anderem drei Folgen der Krimiserie «Der Bestatter» geschrieben hat.
Besetzung mit Schweizer Schauspiel-Prominenz
Man begegnet bekannten Schweizer Schauspielgesichtern, die ihre Rollen mehr oder weniger glücklich bewältigen. Max Simonischek («Die göttliche Ordnung») mit Beatles-Frisur macht seine Sache gut als zwar sympathisch-sanfter, aber ebenso willensstarker Zwingli, der die Dudelsack- und Lautenmusik liebt. Überzeugende Schauspielleistungen attestieren darf man auch Sarah Sophia Meyer («Schellen-Ursli») als Zwinglis Ehefrau Anna, Anatole Taubman als Zwingli-Freund und Mitstreiter Leo Jud und Stefan Kurt als Zürcher Bürgermeister Röist. Doch Andrea Zogg als Chorherr Hoffmann und Ueli Jäggi als Bischof von Konstanz agieren mit ihrem Spiel gefährlich nah an der Grenze zur Übertreibung.
Zwingli
Regie: Stefan Haupt
Ab Do, 17.1., im Kino
Ausstellung
Zwinglis Postulat
Die Ideen von Huldrych Zwingli, der ab 1519 in Zürich aktiv war, fanden ihre wirksamste Umsetzung im Grossmünster. Die Forderung des Reformators, man solle Gottes Wort in den Mittelpunkt des Glaubens stellen, wurde dort gelebt. Daran erinnert nun der Zürcher Zwingliverein mit einer neuen Dauerausstellung im Grossmünster-Kreuzgang. Die Mauerbögen werden mit Begriffen, Texten und Zitaten bestückt, welche die Besucher anregen sollen, sich mit Zwinglis Werk auseinanderzusetzen. (fn)
#ZwischentoeneDerReformation
Ab Sa, 30.3.
Kreuzgang Grossmünster Zürich
Weitere Veranstaltungen: www.zh-reformation.ch
Radio
«Kontext»: Zwingli, der Film
Mo, 14.1., 09.00 SRF 2 Kultur
Weiteres zu Zwingli unter
www.srf.ch —> Suche unter «Reformationsjubiläum» oder «500 Jahre Reformation»
App
Multimedialer Stadtspaziergang
Zwinglis Welt lässt sich auf einer spannenden Zeitreise in die Jahre 1519–1531 erleben: Mit der kostenlosen App «Bux» können sich Interessierte auf einen rund 90-minütigen multimedialen Stadtspaziergang durch Zürich begeben. Per GPS, mit Hilfe von 360-Grad-Ansichten, Audio- und Videoeinspielungen ist ein moderner Blick auf die Reformationsgeschichte möglich. Ausgetretene Pfade werden vermieden, mit der App lassen sich die eher unbekannten Schauplätze der Reformation erkunden: Die Tour startet etwa bei einem unscheinbaren Haus in Wiedikon, wo in der ehemaligen Druckerei Froschauer die Zwingli-Bibel gedruckt wurde. Nebst zahlreichen Infos haben auch Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger oder Slam Poetin Olga Lakritz einen virtuellen Auftritt mit ihrer Interpretation von Zwinglis Werk. (bc)
Bux: Zwingli-Tour
Kostenloser Download im App Store
Theater
Rockiger Reformator
Jürg Kienberger nennt sein Programm «Eingerockt + ausgesungen» im Untertitel «Ein fernes Lied aus Zwinglis Kindheit». Der Theatermusiker und Bühnenkünstler verkörpert Zwingli in Kindheitsjahren. Der Knirps zieht 1489 vom heimatlichen toggenburgischen Wildhaus zu seinem Götti ins Pfarrhaus von Weesen am Walensee. Kienbergers Kleinkunststück beinhaltet unter anderem Schattentheater, Puppenspiel und natürlich viel Musik auf Flügel, Hackbrett (dessen Spiel hat sich der Künstler extra angeeignet), Liliput-Orgel, Flöte oder Spieldose. Wie nicht anders zu erwarten, beschränkt sich Multitalent Kienberger nicht etwa auf «zeitgenössische» oder geistliche Musik aus Zwinglis Epoche. Es hat Platz für Pink Floyd und Bob Dylan. Musik ist in diesem Zusammenhang besonders brisant, bannte Zwingli bekanntlich die Musik aus der Kirche. Selbstverständlich übernimmt Kienberger gleich mehrere Rollen, von Klein-Zwingli über die Pfarrerei-Haushälterin bis zu einem moderierenden Philosophen.
Jürg Kienberger ist mit seinem bereits im März 2018 gestarteten Zwingli-Programm weiterhin unterwegs. Ein nächstes Mal spielt er es am 9. Februar im Alten Kino im St. Gallischen Mels sowie am 10. und 11. April im Theater Chur.
Weitere Spieldaten unter www.juergkienberger.ch