Der neue Dokumentarfilm des Schweizer Regisseurs Matthias von Gunten («Max Frisch, Citoyen») führt an die Ränder der Welt: zwei Orte – ein Schicksal. Der Lebensraum der Menschen ist zusehends bedroht, ein dramatischer Wandel bleibt unausweichlich. Stichwort «Klimaerwärmung und die Folgen».
Hoch oben im arktischen Norden Grönlands liegt Thule (ein anderer Name für Qaanaaq), einer der nördlichsten Orte der Welt. Auf der anderen Seite: Nanumea, eines von neun Atollen, die den Inselstaat Tuvalu im tropischen Pazifik nordöstlich von Australien ausmachen. Das Meer ist hier wie dort die wichtigste Nahrungsquelle. Die Inuits im Norden sind Jäger (Robben, Wale), die Tuvalesen im Süden leben vom Fischfang.
Wal mit Aromat
Der Film zeigt auf, wie die Menschen auf die sich ändernden Umstände reagieren. Jäger Lars: «Unser Leben war, den Tieren zu folgen.» Bewaffnet ziehen die Männer los. Doch Hunde und Menschen überleben nicht ohne Eis. Denn auf ihm kommt man hin zu den Jagdgründen. Wie bei der Narwal-Jagd. Ein erlegter Wal nährt eine Familie und die Hunde für zwei Wochen. Im Film erlebt man hautnah, wie die Jäger einen Narwal (das Wappentier Qaanaaqs) mit dem Gewehr erlegen. Vor Ort schneiden die Jäger ein Stück Fleisch aus dem Körper des Wals und essen es roh – nicht ohne vorher Knorr Aromat darüberzustreuen …
Eisspalten werden immer grösser und unpassierbar – «Hier haben wir zum letzten Mal gejagt», lautet die Erkenntnis. Dramatische Szene bei der Rückkehr: Einer der Schlittenhunde versinkt in einer Spalte, kann sich mit Mühe und Not aus dem eisigen Wasser befreien. Vor 15 Jahren gab es in Thule während neun Monaten begehbares Eis, heute sind es noch sechs Monate. «Die Hunde haben jetzt viel mehr Ferien.»
Es kommen aber auch neue Tiere, solche, die sich noch nie in der Region aufhielten. Im Fjord von Thule entdecken die Jäger Heilbutt. Das wäre eine neue Option. Sie müssten Fischer werden, aber die entsprechende Ausbildung haben sie nicht.
Patrick Malaki, Fischer und Kanubauer in Tuvalu, einst Matrose, erzählt, wie er in Schweden vom Schiff aus Eis vorbeitreiben sah – «und jetzt kommt alles Wasser zu uns». Der Strand der flachen Insel – höchste Erhebung: 4 Meter über Meer ist unterspült, die Vegetation im überfluteten Busch ist abgestorben. Das angebaute Gemüse hat keine Zukunft – «etwas ist mit dem Grundwasser passiert»: An einigen Stellen ist es salzig geworden. Die Bäume sterben und das Trinkwasser wird rationiert.
Einer sagt: «Wir können nirgendwohin ausweichen.» Einige sind nach Neuseeland ausgewandert. Vevea Tepou, erster Stadtpräsident von Namuea, formuliert fatalistisch: «Wir warten, bis die Zeit kommt.»
ThuleTuvalu
Regie: Matthias von Gunten
Ab Do, 30.10., im Kino