kulturtipp: Der kleine Mozart soll ob des Hornklangs heftig erschrocken sein. Wie erging es Ihnen?
Zora Slokar: Mein Vater, ein Posaunist, spielte zu Hause oft mit befreundeten Hornisten. Meine Erinnerungen daran sind wunderbar. Ich verliebte mich geradezu in diesen Klang. Aber mein Vater war auf die Hornisten auch immer etwas neidisch, da sie im Gegensatz zur Posaune in Orchesterwerken viel schönere Stellen spielen dürfen.
Trotzdem wählten Sie erst die Geige, brachten es weit und kamen aufs Horn zurück. Warum?
Als Kind dachte ich nicht daran, irgendwann einmal Horn zu spielen. Als ich aber mit 15 Jahren im Schweizerischen Jugendsinfonieorchester mitspielte, stand Richard Strauss’ sinfonische Dichtung «Don Juan» auf dem Programm, ein sehr schwieriges Stück für Geiger. Ich bereitete mich gut vor, sass dann aber mit 20 Geigern zusammen und übergab mein Können dem Tutti. Ich erkannte, dass ich nicht dafür gemacht bin. Schon als Kind liebte ich es, in Kammerformationen im kleinen Kreis auf der Bühne zu stehen.
Sie stehen gerne im Mittelpunkt.
Ja, wahrscheinlich. Ich ging jedenfalls frustriert nach Hause und schwärmte von den Hörnern, denn was die im «Don Juan» spielen durften, war unheimlich toll. Mein Vater merkte sofort, was los war. Am nächsten Tag hatte ich bereits ein Mundstück, das Horn kam bald darauf.
Sie sagen, Orchesterwerke für Hornisten seien dankbarer als für Geiger. Aus Orchesterperspektive mag das stimmen. Als Geigensolistin können Sie jedoch auf 80 grosse Konzerte zählen, Hornkonzerte gibt es keine zehn. Hatten Sie eine Solistenkarriere abgeschrieben?
Nein. Natürlich hätte ich gerne eine Solistenkarriere gemacht, aber wenn man nicht als Wunderkind mit 16 schon sehr weit ist, muss man als Geigerin die Lage nüchtern betrachten. Alle glauben, sie machen grosse Karriere. Und dann muss man froh sein, wenn man in einem Orchester sitzt. Ich übte schon als Kind sehr viel, aber ich wurde nicht gedrillt.
Mit 16 ist der Zug für eine Geigerin abgefahren?
Bei der Geige und beim Klavier ist es so. Ich habe mir nie Illusionen gemacht. Bis 21 machte ich beides, ich übte täglich sechs Stunden Horn und fünf Geige.
Jetzt sind Sie Hornsolistin im Orchestra della Svizzera Italiana. Ist das Wort Solistenkarriere bereits tabu?
Nein, das nicht, aber als Solistin hätte ich es trotz meiner Kammermusik-Engagements sehr schwer. Oder dann bräuchte ich nebenbei noch eine Stelle als Professorin.
Der «Tages-Anzeiger» schrieb vor Kurzem fälschlicherweise, der Hornisten-Star müsse erst noch gefunden werden. Dennis Brain – jung, schön und früh verunglückt – war einer. Aber zahlreiche Nachfolger hatte er nicht. Warum?
Wie oft hört man ein Hornkonzert im Jahresplan eines Sinfonieorchesters? Es gibt nun mal nicht viel mehr als die vier Mozart-Konzerte, und die zwei Konzerte von Richard Strauss. Dann kommen schon Paul Hindemith, etwas von Carl Maria von Weber, Benjamin Britten, vielleicht noch von Franz Danzi. Man hat Angst, diese Werke aufs Programm zu setzen.
Während der Migros Kulturprozent-Classics stehen Sie als Solistin vor Ihrem Orchester. Ist es schön, mit dem eigenen Orchester aufzutreten?
Es ist sehr schön, da ich mich mit meinen Kollegen ungemein gut verstehe. Aber vor den eigenen Freunden ist der Druck fast grösser, als wenn ich vor einem fremden Orchester stehe.
Setzen Sie sich nach der Pause wieder ins Orchester?
Erst wollte man das so, aber ich sagte, dass es mir zu viel sei. Gerade die 7. Sinfonie Beethovens verlangt dem Hornisten sehr viel ab.
Michael Pletnev, Chefdirigent des Orchestra della Svizzera Italiana, war als Dirigent vorgesehen. Er wurde in Thailand wegen Verdachts auf Kindsmissbrauch verhaftet, kam per Kaution frei und arbeitet nun mit seinem russischen Orchester. Ihr Orchester distanziert sich von ihm, bis der Fall geklärt ist. Kam die Initiative vom Orchester?
Nein, das kam von der Führung. Es war kein einfacher Entscheid. Die Migros-Tournee, die für unser Orchester sehr wichtig ist, stand sogar auf der Kippe. Ursprünglich hätte ja auch Martha Argerich als Solistin mitwirken sollen. Sie solidarisierte sich mit Pletnev und sagte ab.
Wie ist er als Dirigent?
Er ist ein phänomenaler Musiker, dirigiert technisch sehr gut, ist aber emotional zurückhaltend und wirkt auf mich manchmal etwas kühl.
[CD]
Slokar Trio (Zora Slokar, Horn; Branimir Slokar, Posaune; Klemens Schnorr, Orgel). Werke von Valente, Holst, Saint-Saëns,
Hannes Meyer, Crespo und
Jean-François Michel
(Wiediscon 2006).
Zora & Branimir Slokar, Prague Festival Orchestra, Marc Reift. Werke von Saint-Saëns, Haydn,
Franceschini, Mortimer u.a. (Marcophon 2008).
Zora Slokar. 1. Hornkonzert Es-Dur op. 11 von Richard Strauss u.a. Capella
Istrapolitana, David Heer.
Live-Aufnahme vom 21. Mai 2006 (Euro Classics).
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