kulturtipp: Die Leute schwärmen davon, wie Sie ihnen Solothurn kulturell verkaufen. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Marie-Christine Egger: Man kann den Leuten nicht einfach nur etwas über die Geschichte erzählen. Sonst hören sie irgendwann nicht mehr zu. Ich muss all ihre Sinne ansprechen. Sie müssen typische Musik hören, passende Kleidung sehen, Goldmünzen fühlen und Gewürze riechen können.
Sie tragen auf jedem Rundgang ein passendes Kostüm, spielen Instrumente aus alten Zeiten und beherrschen Tänze, die viele Leute gar nicht kennen.
Das gehört für mich einfach dazu. In meinem Job kann ich meine Kreativität voll ausleben. Ich habe immer viel mehr Ideen als Zeit, um alles umzusetzen.
Hatten Sie noch nie genug vom ständigen Zeitreisen?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin seit 1987 süchtig danach. Stadtführerin zu sein, ist mein Traumjob. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.
Auf Ihren Führungen schlüpfen Sie mit Herzblut in unterschiedliche Rollen: Mal sind Sie die Keltorömerin Queta, mal die Patrizierdame Madame de Coin.
Jedes Zeitalter fasziniert mich, weil jedes Zeitalter etwas Schönes gehabt hat. Es ist beeindruckend, wie sich die Menschen in der Vergangenheit durchgeschlagen und was sie alles erfunden haben. Solothurn und die Stadtführungen sind mein Leben.
Welches ist die grösste Herausforderung?
Es ist schwierig, davon leben zu können. Vor allem, wenn man dies hauptberuflich macht. Die Konkurrenz ist gross – man muss um Aufträge kämpfen.
Sie besitzen keinen Fernseher und widmen Ihre ganze Freizeit der Vergangenheit. Leben Sie nicht gerne im 21. Jahrhundert?
Doch! Ich würde zwar gerne einmal auf eine Zeitreise gehen – aber nur mit einem Sack voll Antibiotika. Auf jeden Fall würde ich dann nicht für immer dort bleiben, sondern wieder in die Gegenwart zurückkommen.
Wenn Sie eine Stadtführung über die heutige Zeit durchführen könnten, in welcher Haut möchten Sie stecken?
Ich würde gerne über die Geschichte der Medizin erzählen. Als ehemalige Krankenschwester frage ich mich oft, was die Menschen in 50 Jahren wohl über den jetzigen Stand der Medizin sagen werden.
Weitere Infos unter:
www.solothurn-stadtfuehrungen.ch