kulturtipp: In Kürze wird «No templates» in Basel uraufgeführt. Wie ist Ihre Gefühlslage?
Dieter Ammann: Ich habe an diesem Stück mit Unterbrüchen seit Anfang 2020 gearbeitet. Das Werk war also mein konstanter Begleiter. So wird die Uraufführung zu einer Art Abschied.
Das Violakonzert ist eine Auftragskomposition. Bekommen Sie oft solche Aufträge?
Ich komponiere ausschliesslich auf Auftragsbasis. Ich bin ein sehr langsamer Komponist und schreibe alles von Hand. Das dauert und kostet halt auch. Das aktuelle Stück ist ein Co-Auftrag des Sinfonieorchesters Basel und des Münchner Kammerorchesters. Beteiligt sind auch das Lucerne Festival, das Tongyeong International Music Festival in Südkorea sowie das Esprit Orchestra Toronto.
Kommt es vor, dass Sie Aufträge ablehnen?
Ja, denn es wäre schade für alle, wenn ich etwas schreiben muss, was ich gar nicht will. Aber gerne verrate ich, dass meine nächste Arbeit ein Auftrag der Berliner Philharmoniker sein wird.
War es Teil des Basler Auftrags, ein Werk für Bratsche zu schreiben?
Ja, denn die Initiative kam von Nils Mönkemeyer, der das Werk auch uraufführen wird. Ich habe ihm vor Jahren versprochen, ein Violakonzert für ihn zu schreiben. «No templates» würde es ohne Mönkemeyer nicht geben.
Werke gezielt für einen Musiker zu komponieren: Ist das nicht eine historische Erscheinung und aus der Mode geraten?
Ja, das trifft zu.
Warum ist das so?
Vielleicht, weil es früher direktere und kleinräumigere Abhängigkeiten gab. Beethoven, Mozart oder Brahms haben für «ihre» Musiker geschrieben. Heute ist der Kompositionsmarkt globalisiert. Mein Stück wird in Basel von Nils Mönkemeyer uraufgeführt, später aber von Tabea Zimmermann in Luzern und weiteren Solisten in Kanada und Südkorea gespielt.
Hatten Sie beim Schreiben Mönkemeyer im Ohr?
Beim Schreiben nicht. Bei der Einstudierung aber waren und sind wir in intensivem Austausch.
«No templates» heisst übersetzt «Keine Vorlagen». Was meinen Sie damit?
Ich will zeigen, dass meine Musik frei von Schablonen entsteht, von denen es in der zeitgenössischen Kunstmusik noch immer einige gibt. Ich geniesse es, die Vielfalt der Musikgeschichte sowie verschiedene Tonalitäten zur Verfügung zu haben. Diese kann ich auf meine eigene Weise erkunden und begehen. Es geht weniger darum, mit welchem musikalischen Material man komponiert, sondern darum, was man daraus macht.
Die Viola steht oft im Schatten der Violine. Wie stellen Sie diese ins Zentrum Ihres Werks?
Sie muss gar nicht immer im Zentrum stehen, aber ihre Eigenarten ausspielen. So habe ich mich oft auf ihre tiefste Lage konzentriert, wo die Violine gar nicht mehr hinkommt.
Sie sind bekannt für Ihr akribisches Arbeiten. Wie gehen Sie vor?
Die linke Seite der Papierbögen benutze ich für Skizzen, die rechte für die Reinschrift. Der eigentliche Kompositionsprozess ist eher ein intuitiver Vorgang.
Sie haben also keine Konzeption und arbeiten «vorzue»?
Genau, sehr schön gesagt: Ich arbeite «vorzue». Das ist es, was mich am Komponieren fasziniert. Es ist wie eine Reise ohne Landkarte, wo man sich einen Weg durchs Dickicht bahnt ohne im Vornherein zu wissen, was wann wie klingen wird. Intuition erträgt eben keinen Plan.
Ihre Partituren sind bis zur letzten Note ausgeschrieben. Begonnen haben Sie aber im freien Musizieren.
Mein Vater war ein ausgezeichneter Stegreifpianist und hat mit meinem Bruder und mir oft und querbeet musiziert. Ab sechs Jahren besuchte ich den klassischen Klavierunterricht, habe aber viel lieber mit irgendwelchen Instrumenten beim Papa mitgespielt. Auch später habe ich oft improvisiert.
Weshalb haben Sie sich ab den 90ern aufs Komponieren konzentriert?
Das war ein langer Prozess. Bis 30 war ich freischaffender Musiker, dann begann ich zu unterrichten, und dann kamen die ersten Kompositionsaufträge.
Spielen Sie heute noch?
Mit meinem Bruder und alten Freunden habe ich eine Band. Und bei Mercee, der Partnerin einer meiner Söhne, spiele ich zuweilen auch mit. Mit grosser Freude!
Zwei Meister und ein Werk
Dieter Ammann (62) zählt zu den renommiertesten zeitgenössischen Komponisten. Der Aargauer lebt seit seiner Jugend in Zofingen, studierte Musik in Luzern und Bern und spielte in Jazzbands mit Marco Käppeli oder Eddie Harris, jammte aber auch mit Udo Lindenberg. Seit 30 Jahren komponierter Orchester- und Kammermusik in einer vielfältigen Klangsprache, die komplexe Tonalität mit starker rhythmischer Kraft verbindet. Er ist Professor an der Musikhochschule Luzern. Nils Mönkemeyer (47) studierte Violine in Bremen und wechselte mit 19 Jahren zur Bratsche. Er ist international aktiver Solist sowie Professor an der Musikhochschule München.
Konzerte
Viola Concerto «No templates»
Mi, 22.1., 19.30 Stadtcasino Basel
Porträtkonzert Dieter Ammann
Quator Diotima (Paris) spielt die Streichquartette Nr. 1 und Nr. 2
So, 26.1., 16.00 Aula Margeläcker Wettingen AG
Radio
Musik unserer Zeit: Dieter Ammann und Nils Mönkemeyer im Gespräch
Mi, 29.1., 20.00 SRF 2 Kultur
«No templates»
Mi, 29.1., 21.00 SRF 2 Kultur