kulturtipp: Adina Friis, es ist ein kühler Tag Mitte Mai. Schlägt Ihnen solches Wetter aufs Gemüt?
Adina Friis: Wenn ich sehr beschäftigt bin, etwa mit der Vorbereitung auf Konzerte, merke ich das kaum. Aber wenn ich kreativ sein will, schlägt mir vor allem Kälte schon aufs Gemüt.
Ich frage deshalb, weil es erstaunt, dass eine junge, erfolgreiche und lebensfrohe Musikerin ein Requiem schreibt.
Die Themen Leben und Tod beschäftigen mich schon lange, und meine Musik befasst sich oft damit. Es war an der Zeit, ihnen ein ganzes Programm zu widmen. Die Idee, ein Requiem zu schreiben, hatte ich schon in sehr jungen Jahren.
Nämlich?
Mit drei oder vier Jahren hörte ich erstmals Mozarts «Requiem» und war derart angetan, dass ich es immer und immer wieder hören wollte. Später beschloss ich, irgendwann selbst ein Requiem zu schreiben.
Nun steht Ihr Werk kurz vor der Uraufführung. Allerdings heisst es «Leben – in Anbetracht der Endlichkeit».
Genau, denn das Projekt hat sich gewandelt. Ich merkte, dass ich keine Totenmesse schreiben will. Es ging mir – in Zusammenhang mit persönlichen Erlebnissen – vielmehr darum, einen Lebensabschnitt abzuschliessen.
Fanden sich unter diesen Erlebnissen auch Begegnungen mit dem Tod?
Ich wurde in meinem Leben schon mehrfach und auf verschiedene Weise mit dem Tod konfrontiert und kann mich mit dem Gefühl der Endlichkeit gut identifizieren. Irgendwann dachte ich aber «Jetz längts» und wollte dieser Dauerpräsenz kreativ begegnen, um mich bewusst fürs Leben zu entscheiden.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Vokalensemble «stimmig!»?
Ich kenne dessen Leiter Achim Glatz seit meiner Jugend und habe auch schon im Chor mitgesungen. Aus der Covid-Krise kam der Impuls einer Trilogie zum Thema «Tod und Lebendigkeit». Und der dritte Teil, den ich komponiert habe, verbindet diese beiden Teile zu einer Ode an das Leben in Anbetracht der Endlichkeit. Es geht mir darum, aus der Begegnung mit dem Tod eine Wertschätzung des Lebens zu gewinnen.
Nach einem bedrohlichen Auftritt des Leibhaftigen wendet sich Ihr Stück tatsächlich zum Licht, zum Frühling, zur Sonnenwende. Alles Sinnbilder des Lebens?
Genau, eine Schwierigkeit beim Schreiben bestand darin, die Lebendigkeit zu verkörpern. Meine Musik fokussiert sonst eher auf melancholische Momente, weshalb ich lernen musste, Freude und Leben in Musik zu verpacken. Inspiriert wurde ich von schwedischen Volksliedern und der Idee vom Fest der Sonnenwende.
Sie lehnen sich hörbar auch an klassische Musik an. Sie haben aber Jazz studiert.
Stimmt, aber ich habe immer klassische Musik gehört, gespielt und mich mit Harmonielehre befasst. Ich habe auch schon früher für Chöre geschrieben und arrangiert. Und ich lasse meine Musik von Kolleginnen und Kollegen gegenlesen.
Gibt es musikalische Vorbilder?
Natürlich! Hier waren es etwa der US-Chor- und Filmkomponist David Lang, der Norweger Marcus Paus oder der US-Amerikaner Morten Lauridsen.
Wie unterscheidet sich das Schreiben einer solchen Partitur vom Schreiben von Songs für Ihr Trio Luumu?
Kaum. Ich arbeite sehr schnell und merke sofort, ob es etwas taugt oder nicht. Am wichtigsten ist mir die Aussage im textlichen und musikalischen Sinn. Und am liebsten bleibe ich dran, bis ein Stück fertig ist.
Aber es ist nicht anders, eine Filmmusik zu schreiben oder eben ein Chorwerk?
Ich möchte immer Neues ausprobieren. Aber letztlich arbeite ich mit meiner musikalischen Handschrift.
Und wie lässt sich diese umschreiben?
Mir geht es darum, mittels besonderer Klangfarben Stimmungen zu erzeugen.
Sie schreiben auch alle Texte selbst. Was ist zuerst: Text oder Musik?
Das geschieht meist parallel.
Hier erklingen Texte in Englisch, Französisch, Deutsch, Schweizerdeutsch. Warum diese Vielfalt?
Es mag seltsam klingen, aber die Texte melden sich so. Französisch habe ich zum ersten Mal geschrieben, das kam einfach so. Und klar: «Lumière» klingt einfach poetischer als «Licht».
Nebst Musik und Text gibt es weitere formale Ebenen.
Ja, es ist ein mehrschichtiges Stück, ergänzt um das Spiel eines Schauspielers und einer Tänzerin. Das Ganze wird von Regisseurin Fiorina Brodbeck inszeniert.
Aktuell gibt es viele Projekte, die Jazz mit Klassik verbinden. Orchesterwerke des Bassisten Luca Sisera oder des deutschen Fuchsthone Orchestra. Was ist der Grund dafür?
Ich glaube, dass musikalische Schubladisierungen nicht mehr aktuell sind. Ich kann mich erinnern, wie schwierig mir die Entscheidung fiel, Klassik oder Jazz zu studieren. Ich wollte einfach Musik machen. Und so wird es auch vielen meiner Kolleginnen und Kollegen ergehen.
Sie fordern ein Ende der musikalischen Kategorisierungen?
Ja. Wir sind doch als Menschen auch zu vielschichtig, als dass wir nur in eine Kategorie gehören. Und so ists auch mit der Musik. Hören wir auf, von Jazz zu sprechen oder von Pop oder was auch immer. Sprechen wir doch einfach von Musik.
Leben – in Anbetracht der Endlichkeit
Sa, 3.6., 20.00 Progr Bern So, 4.6., 17.00 Helferei Zürich
Sa, 17.6., 20.00 Kleiner Konzertsaal Solothurn
Di, 20.6., 20.00 Ackermannshof Basel
www.ensemble-stimmig.ch