Yusif Eyvazov ist kein schlechter Tenor. Seine Stimme ist hübsch, sie kann auch gross werden, ihr Timbre bei diesen Ausbrüchen sogar halten. Aber ein Feinmechaniker ist er nicht. Mit Lautstärke und Emotion übertüncht der 40-jährige Aserbaidschaner die mangelnde Technik. Sein Atem ist kurz, das Vibrato bisweilen enorm, die Intonation auch mal ungenau. Da allerdings Tenöre mit grosser Stimme dünn gesät sind, schaffte er es dennoch ins Opernhaus von Rom: keine Bühne unter den Top 10 Europas, aber immerhin eine mit Anspruch und in der Hauptstadt Italiens, im Heimatland der Oper. Als Eyvazov im Februar 2014 sang, war dort Primadonna Anna Netrebko seine Bühnenpartnerin in Giacomo Puccinis «Manon Lescaut».
Rom wird für Anna und Yusif die Stadt der Liebe
Das war die Zeit, als man Dirigent Riccardo Muti jeden Wunsch erfüllte, um der Opernwelt zu zeigen: Rom kann es mit Mailand aufnehmen! Der Traum endete für Rom mit einem Finanzkollaps – für Yusif Eyvazov im Opernhimmel.
Eyvazov und die Netrebko liebten sich nicht nur als Manon und Des Grieux, sondern alsbald als Anna und Yusif. Schon im Sommer hatten beide ihren Facebook-Status auf «verlobt» geändert. Am 29. Dezember 2015 heirateten sie in Wien. Da konnte Eyvazov locker über den schnöden Satz zu seinem Römer Auftritt in der «Welt» hinweglesen, wo es hiess: «Netrebkos Tenor Yusif Eyvazov ist ein armrudernd robuster Brüller.»
Mailand könnte zum Prüfstein werden
Nun könnte man sagen, dass es fast jeder Tenor an der Seite von Anna Netrebko schwer habe. Zurzeit schaffen es nur Jonas Kaufmann und Piotr Beczala, ihr Paroli zu bieten, und auch der Italiener Francesco Meli hielt im Sommer 2017 bei den Salzburger Festspielen in «Aida» wacker mit.
Aber Netrebko machte schnell allen klar: Ohne Yusif keine Anna! Beim Versuch, ihrem Ehemann den Gang auf die Weltbühnen zu ebnen, musste die Deutsche Grammophon mitmachen – flugs erhielt das Paar die Plattform dafür: Das im Herbst erschienene Album «Romanza» wurde allerdings zur gigantischen Peinlichkeit. Damit Eyvazov mithalten kann, begibt sich Netrebko in seichte Pop-Abgründe.
Doch kaum ist Salzburg überstanden, wagt sich der Tenor im Schatten von Anna Netrebko in die Höhle des Löwen, in die Mailänder Scala. Nicht an irgendeinem Dienstag im März für eine Repertoirevorstellung, sondern für die Saisoneröffnung am 7. Dezember: Dann, wenn die Mailänder nichts anderes als Weltklasse hören wollen, dann, wenn die Karten im Parkett offiziell 3000 Euro kosten und die armen Stehplatzbesucher zwei unangenehme Tage mit Anstehen für ihre «billigen» Karten (50 Euro) auf sich nehmen. Danach haben sie jeweils grossen Hunger auf Top-Leistungen. 1992 buhten sie den Jahrhunderttenor Luciano Pavarotti aus. Er sang damals die «Don Carlo»-Serie zu Ende und kehrte nie mehr an die Scala zurück. Vor vier Jahren traf es Piotr Beczala. Noch im Künstlerzimmer nach der Vorstellung sagte der Tenor: «Nie mehr Scala!»
Selbst Anna Netrebko sagte im persönlichen Gespräch vor zehn Jahren, dass sie zögere, in Mailand «La Traviata» zu singen, da ihr das Publikum dort zu kritisch sei. Da hatte sie längst in Salzburg debütiert und triumphiert. Ihr Scala-Debüt gab sie dann 2011 ungefährlich als Donna Anna in Mozarts «Don Giovanni». Ihr Mann wagt dieses Debüt ausgerechnet als Andrea Chenier in Umberto Giordanos gleichnamiger Oper: Das ist jener Opernheld, der drei grosse Arien und ein gewaltiges Schlussduett beim Gang zur Guillotine zu singen hat. Ob er es bereuen wird? Die Loggionisti jedenfalls geben keinen Bonus für verliebte Pärchen. Auf YouTube bekommt Eyvazov vor allem von italienischen Kommentatoren bereits jetzt sein Fett ab.
Eine schwierige Konstellation
Das Ehepaar zeigt sich jedoch öffentlich so selbstsicher, dass man meint, sie würden unterschiedliche Publikumsreaktionen ertragen. Bei der heute fast 90-jährigen Sängerin Christa Ludwig war das anders. Über ihre nach 13 Jahren geschiedene Ehe mit dem fast ebenso berühmten Bassbariton Walter Berry (1929–2000) sagte sie: «Wir mussten immer etwa dieselben Gagen und dieselben guten Kritiken haben. Wenn das nicht so gewesen wäre, wäre es nicht gegangen! Deswegen gehen Künstlerehen oft nicht gut, ausser man ist hochintelligent oder hochtolerant – das ist aber selten.»
CDs
Romanza
Panorama
(DG 2017).
Puccini: Manon Lescaut
Salzburger Festspiele
(DG 2016).
Oper an TV & Radio
Andrea Chenier
Von Umberto Giordano
Teatro alla Scala Milano
Do, 7.12., 17.45 Rai 1 (TV) & Rai Radio 3
Do, 7.12., 22.15 Arte