Sie kreischen, singen, weinen überwältigt. 3500 Mädchen, wenige Buben. Mittendrin Yaëlzoë, die ihre kleine Schwester ans Konzert von US-Star Olivia Rodrigo begleitet. Fast schon alt fühlte sich die 22-Jährige inmitten der Teenies. Und der geschliffene, für die Massen produzierte Sound der 19-jährigen Sängerin berührte sie weniger als die Reaktionen darauf: «Überwältigend, wie eine Künstlerin so viele junge Menschen bewegt.» Selbst spielt Yaëlzoë, bürgerlich Yaël Zimmermann, bescheidenere Shows. Noch. Denn die quirlige Singer-Songwriterin hat Ambitionen, wie sie im Gespräch durchblicken lässt.
Erweckungsmoment mit acht Jahren
Wie Rodrigo singt auch Yaëlzoë über Trennungsschmerz oder die erste Liebe. Sie kann aber auch anders: «Weak Blue World» handelt von Übergriffigkeit und Neinsagen, von brenzligen Situationen, die unzählige junge Frauen erleben. «Ich versuche gesellschaftliche Themen, die viele beschäftigen, in eine einfache Sprache zu packen», sagt Yaëlzoë und fügt in ihrer sympathisch-flapsigen Art an: «Im besten Fall kann ich Gefühle zum ‹Mantra› runterbrechen.» Yaëlzoë macht Pop in Reinform. Keine sperrigen Töne, sondern eingängige Melodien und Texte, die hängen bleiben.
Am Anfang stand ein Solo am Weihnachtskonzert, das die damals Achtjährige singen durfte. Kinderchor und Orchester im Rücken. Schlagartig wurde der quirligen Zürcherin klar: Das ist es! Ein Erweckungsmoment. Überraschend kommt ihr musikalischer Weg nicht – Geigenunterricht ab vier, erste Banderfahrung in der Sek, klassischer Gesang am Gymi, autodidaktisches Lernen von Gitarre und Klavier, Songs schreiben ab 15, Vorkurs und bald Studium in Popgesang. Unter ihren Grosseltern finden sich Künstler und Musiker. «Das Künstlergen hat bei uns eine Generation übersprungen», sagt sie. Statt verbissen cool kommt Yaëlzoë erfrischend ehrlich rüber. Sie steht dazu, dass der «Girlie-Sound» von Taylor Swift sie prägte, hat keinerlei Berührungsängste gegenüber Mainstreampop. Zugleich hörte sie während einer «Emophase» stundenlang 40er-Jahre-Jazz, allen voran Billie Holiday. Trifft etwas ihren «Vibe» – ihre Stimmung – , ist sie «on fire». Mit 16 Produzent Luk Zimmermann, Gründungsmitglied der Band Lunik, anschreiben und nach einem Plattenvertrag fragen? «Why not?» Und es klappt: Während Corona spielte Yaëlzoë mit Zimmermann die EP «Drama» (2021) ein. Darauf singt die zweisprachig aufgewachsene Musikerin Englisch, ihr neuestes Stück «Pinguhämd» wiederum ist auf Zürideutsch. Yaëlzoë will lernen, vorwärtskommen. Ihr Sound soll tanzbarer werden. Und irgendwann mal wie Taylor Swift Stadien füllen? «Unbedingt!» Sie strahlt – und meint es todernst.
Konzerte
Sa, 30.7. & Mo, 1.8. Jeweils ab 10.30, Migros Hiking Sounds Madrisa GR
Mi, 3.8., 20.00 Barfussbar Zürich
www.yaelzoe.com
Yaëlzoës Kulturtipps
Literatur
Leïla Slimani: Dann schlaf auch du (Luchterhand 2017)
«Eine Nanny ermordet zwei Kinder, die sie für ein Pariser Paar betreut. Slimani packt gesellschaftsrelevante Themen wie ‹Weibliche Wut› in einen hochspannenden Krimi.»
Film
Mike Mills: C’mon, C’mon (2021)
«Dieser wunderschöne Schwarzweissfilm erzählt vom Radiojournalisten Johnny (Joaquin Phoenix), der Kinder in den USA nach ihrem Weltbild befragt. Und von der lehrreichen Beziehung zu seinem neunjährigen Neffen, der ihn begleitet.»
Podcast
New York Times: The Daily
«Täglich bekomme ich hier die wichtigsten News auf interessante, süffige und zugängliche Art. Ein anderer Blick und eine gute Ergänzung zu nationalen Medien.»