Das hat es noch nie gegeben. Und wird es nicht so schnell wieder geben. Werke des holländischen Kupferstechers Jan Saenredam in der gleichen Ausstellung mit dem brasilianischen Avantgardisten Ernesto Neto und der Genfer Künstlerin Sylvie Fleury. Diese überraschende Kombination erwartet die Besucher in einer aussergewöhnlichen Gruppenausstellung des Basler Museums Tinguely.
«Belle Haleine – Der Duft der Kunst» verbindet die sinnliche Wahrnehmung von Auge und Nase. Sie zeigt Werke alter und vor allem zeitgenössischer Künstler, die im weitesten Sinn den Geruch einbinden – den wohltuenden und den üblen. Diese Schau ist als Teil einer Reihe von Ausstellungen gedacht, die sich mit den Sinnen beschäftigen. Nächstes Jahr ist bei Tinguely «Tasten» angesagt.
Sinnesreize
Können Düfte als Medium des künstlerischen Ausdrucks und der Kreativität dienen? So lautet die Frage der Ausstellung. Die Liste der versammelten Künstler enthält zahlreiche prominente Namen von Marcel Duchamp, Louise Bourgeois und Markus Raetz bis zu Dieter Roth – ein kleines Who is Who klingender Namen.
Die Ausstellungsmacher sprechen von einer «Synästhesie», von einem Zusammenspiel mehrerer Sinnesreize, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts Verbreitung gefunden haben: Die fünf Sinne prägen demnach unser Denken, eine Binsenwahrheit zwar, aber in ihrer künstlerischen Umsetzung anspruchsvoll.
Die Genfer Künstlerin Sylvie Fleury beschäftigt sich in ihrem Werk «Aura Soma» mit der modischen Esoterik und karikiert die verbreitete Duft-Aroma-Therapie mit 102 Fläschchen, die sie mit Ölen und gefärbtem Wasser füllte. Das Werk ist eine bestechende Farbinstallation, die dem Betrachter Substanzen mit therapeutischer Wirkung vorgaukelt, faktisch jedoch nutzlos ist und «nur» die ästhetische Wahrnehmung befriedigt.
Intensität
Wesentlich sinnlicher dagegen die Arbeit des Brasilianers Ernesto Neto mit seiner Installation «Mentre niente accade»/«While Nothing Happens». Er arbeitet mit angeblich unverfälschten Materialien wie Gewürzen oder Lilien, die Sehnsüchte nach paradiesischen Zuständen in der Natur beim Besucher wecken sollen. Das Werk ist zwar sieben Jahre alt, doch der wohlriechende Duft ist anscheinend wahrnehmbar geblieben.
Alte Stiche aus dem Barock dienen als Auftakt der Ausstellung, etwa dieser Druck «Geruch» des Holländers Jan Saenredam, der sich vor allem mit Stichen religiöser Motive einen Namen machte. Doch das Genrebild zeugt mehr von Sinnlichkeit als Besinnlichkeit; der Betrachter spürt förmlich, wie die schöne Dame dem Angebeteten mit einem wohligen Duft den Kopf verdreht. Die These, dass die Sinne unser Denken bestimmen, findet in dieser Szene ihren praktischen Beweis: Das neckische Blümlein muss zu einer weiteren Annäherung geführt haben.
Für Kuratorin Annja Müller-Alsbach ist diese Ausstellung «ein Experiment, eine Versuchsanordnung». Sie erinnert daran, dass Jean Tinguely vor mehr als 50 Jahren die Kunst als «partizipativ» verstanden hatte, dass der Betrachter direkt daran Anteil nahm. Ein typisches Beispiel dafür war seine «Méta-Matic. Nr. 17», eine Benzin betriebene Maschine, die den Duft von Abgas und Maiglöckchen verströmte – dank grosszügiger Parfümierung.
Seine Freude hätte der sinnesorientierte Tinguely an der «Smoking Machine» des Norwegers Kristoffer Myskja gehabt, eines weiteren Werks, das in der Ausstellung zu sehen sein wird. Die Maschine pafft unbeschwert vor sich hin, wie das ein Raucher heute kaum mehr zu tun wagt. Andere Objekte sind noch überraschender, denn die Ausstellung will interdisziplinär sein. Dies illustrieren Proben von menschlichem Schweiss. Sie wurden im Auftrag der norwegischen Künstlerin und Geruchsforscherin Sissel Tolaas vom Massachusetts Institute of Technology in Boston gesammelt. Und zwar stammen sie von Männern, die unter schweren Phobien leiden. Der Besucher nimmt die Individualität der Männer durch die Nase wahr, sofern er an der Installation riechen mag.
Nicht für jedermann
Einen ganz speziellen Geruch hat der Künstler Dieter Roth (1930–1998) kreiert. Unter dem Titel «Poemetrie» versah er transpartente Plastikbeutel mit beidseitig gedruckten Texten. Die Beutel enthalten eine Mischung aus Pudding- und Urin-Geruch, den der Besucher durch ein Röhrchen riechen kann. Der Duft ist nach Jahrzehnten erfreulich frisch geblieben.
Nicht alle Werke sind für Zartbesaitete, wie Kuratorin Annja Müller-Alsbach erklärt. Einzelne Werke sind mit einer Warntafel versehen: «Achtung, starker Geruch!»
Belle Haleine – Der Duft der Kunst
Mi, 11.2.–So, 17.5.
Museum Tinguely Basel