«Wir machen Theater, nicht Integration»
Die Zürcher Theatertruppe Hora feiert ihr 20-jähriges Bestehen. Ihre einzigartige Geschichte ist so bewegt wie erfolgreich.
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Kulturtipp 11/2013
Frank von Niederhäusern
Die Telefone laufen heiss, und im Hora-Betriebsbüro herrscht buntes Stimmengewirr. In wenigen Tagen startet die vierte Ausgabe des eigenen Theaterfestivals Okkupation. Zuvor stehen drei Gastspiele am Theatertreffen Berlin an, und gerade ist ein Agent aus New York in der Leitung, der Interesse am Stück «Disabled Theater» bekundet.
«Im Moment hagelt es Anfragen», freut sich Giancarlo Marinucci, Gesamtleiter des Zürcher Ensembles. Bei Hora spielen auss...
Die Telefone laufen heiss, und im Hora-Betriebsbüro herrscht buntes Stimmengewirr. In wenigen Tagen startet die vierte Ausgabe des eigenen Theaterfestivals Okkupation. Zuvor stehen drei Gastspiele am Theatertreffen Berlin an, und gerade ist ein Agent aus New York in der Leitung, der Interesse am Stück «Disabled Theater» bekundet.
«Im Moment hagelt es Anfragen», freut sich Giancarlo Marinucci, Gesamtleiter des Zürcher Ensembles. Bei Hora spielen ausschliesslich Menschen mit geistiger Behinderung, allerdings auf professionellem Niveau. Das Stück «Disabled Theater», eine theatrale Selbstreflexion in Zusammenarbeit mit dem französischen Starchoreografen Jérôme Bel, kam auf bisher 80 Vorstellungen inklusive Gastspielen in Italien, Ungarn, Südkorea.
Diesen Sommer stehen Berlin, Amsterdam, Helsinki an.
Urs Beeler, Ausbildungsleiter bei Hora, relativiert: «Im Ausland werden wir mit weit offeneren Armen empfangen als zu Hause. Hier spürt das Publikum noch immer Schwellenängste. Manche Veranstalter und Sponsoren wissen zudem nicht, ob sie uns als Sozial- oder Kulturprojekt verstehen sollen.»
Profis auf der Bühne
Dies nach 20-jähriger Erfolgsgeschichte. 1993 hat der Zürcher Theaterpädagoge Michael Elber die Gruppe Hora mit dem Ziel gegründet, die künstlerische Entwicklung von behinderten Menschen zu fördern. Den Namen gab der Truppe Meister Hora aus Michael Endes Roman «Momo», den man als erstes Bühnenstück adaptierte. 50 Produktionen sind dazugekommen, darunter Goethes «Faust», das Improvisations-Spektakel «Die Lust am Scheitern» oder die Musik-Fantasie «Paganini & Ich».
Seit 2009 setzt Hora ausschliesslich auf Profis, die man gleich selbst ausbildet. «Wir machen Theater, nicht Integration», betont Urs Beeler. Die Schüler der zweijährigen Berufsausbildung würden in die Ensemblearbeit einbezogen. Dies gelinge problemlos. «Was unsere Leute auszeichnet: Sie spielen spontan und authentisch.» Die Ausbildung ist attraktiv, die Hora-Crew kann sich ihren Nachwuchs aussuchen. Auch weil das Angebot in der Schweiz einzigartig ist.
Spielkulturen
«Wir sind in Kontakt mit Projekten in Deutschland, Österreich, England», sagt Giancarlo Marinucci. Solche gastieren jeweils auch am Festival Okkupation. Zur aktuellen Ausgabe reisen Gäste gar aus den USA an. Zudem Nichtbehinderte wie der britische Gitarrist Fred Frith, der deutsche Theatermann Schorsch Kamerun oder die Basler Frauenband Les Reines Prochaines. «Dies funktioniert am Festival», sagt Urs Beeler. «Gemischte Projekte sind aber die Ausnahme, weil die Ansprüche und Spielkulturen nur schwer vereinbar sind.»
Umso wichtiger sei die Durchmischung des Publikums. «Wir zeigen unsere Produktionen stets an bestehenden Kulturorten», erklärt Marinucci. Mit Okkupation gastiert man auf den Bühnen von Gessnerallee, Roter Fabrik und Schauspielhaus. Zu seinem 20-jährigen Bestehen zeigt Hora sechs seiner erfolgreichsten Produktionen der letzten Jahre.
Festival
Okkupation – Internationales Theaterfestival
Mi, 22.5.–Sa, 1.6., Rote Fabrik, Gessnerallee, Schauspielhaus Zürich
www.hora-okkupation.ch
Fernsehen
50 Jahre Theatertreffen Berlin
Sa, 18.5., 20.15 3sat