Die Deutung der Sixties schwebt noch immer nebelverhangen über der Popszene: Die Beatles seien die zärtlichen Zahmen und die Stones die wahren Wilden gewesen. Es war alles ganz anders. Die wahren Helden waren die Pretty Things, sind sich Afficionados der Sixties einig. Sie waren die Vorbilder aller skandalträchtigen Bands dieser Epoche. Ein Gespräch mit Dick Taylor (70), Gründungsmitglied der Rolling Stones und Gitarrist der Pretty Things.
kulturtipp: Dick Taylor, Sie haben in den Sixties zweimal in der Schweiz gespielt. Erinnern Sie sich noch daran?
Dick Taylor: Ja, ich erinnere mich, wie wir in Zürich spielten, und an eine verrückte Autofahrt in den Schweizer Alpen. Es war absolut wahnsinnig. Ich kann mich nicht mehr richtig an die Gigs erinnern, aber an diese Fahrt in unserem BMW durch die Berge. Ich dachte damals, dass meine Karriere sehr schnell enden würde.
Waren Sie wirklich die wahren Helden der Sixties – die Beatles nur Softies und die Stones ein Produkt der Mittelklasse?
Früher spielte dieser Klassenbullshit noch eine grössere Rolle als heute. Ganz ehrlich, wir haben alle die gleichen Wurzeln. Vielleicht war Jagger aus einer Familie mit ein wenig mehr Überfluss als wir alle. Es stimmt, dass wir dieses riesige Kultpublikum haben. Darüber bin ich natürlich glücklich.
Wieso hatte die Popkultur den Höhepunkt in den Sixties?
Heute konzentrieren sich die Leute stark auf die Sixties, aber die Endfünfziger waren genauso spannend. Damals ging ich häufig nach London in die Beatnik-Scene, die im Untergrund die kulturelle Explosion der Endsechziger vorausnahm. Die Hippie-Szene war vielleicht eine rohe und primitivere Massenversion der Szene der Beatniks.
Was ist heute besser für Musiker und Publikum?
Die Tatsache, dass man sich zu jeder Zeit jeden Song, jede Band, jedes Album anhören kann, die freie Verfügbarkeit von Musik hat schon etwas. Es gibt heute viel weniger «musikalischen Tribalismus», also viel weniger Trennung als früher. Was mich, als ich jung war, richtig wütend machte, war die Trennung zwischen verschiedenen Stilen. Entweder hörte man traditionellen oder experimentellen Jazz. In der Art School brachten die Studenten ihre Platten mit, und wir hörten alle an, denn Musik ist Musik. Es gibt nicht nur eine einzige Quelle von guter Musik. Ich liebe Blues, alten Blues. Das heisst nicht, dass ich nicht auch Schönberg mögen kann. Heute ist diese Engstirnigkeit verschwunden.
Wieso gehen Sie immer noch auf Tour?
Ich spiele gerne Musik, ob ich dafür bezahlt werde oder nicht. Wieso soll ich aufhören, solange ich mich gesund genug fühle? Und ganz ehrlich, je älter ich werde, desto wertvoller wird das für mich. Es ist etwas, was ich unbedingt machen will, weil ich weiss, dass es auf jeden Fall zu einem Ende kommt.
Konzerte
Do, 30.5., 20.30
Gaswerk Winterthur
Fr, 31.5., 21.30
Mühle Hunziken Rubigen BE