Immer mehr Studenten gehen zum Lernen in eine Bibliothek. «Die Bibliotheken werden zu Treffpunkten und Aufenthaltsorten», stellt Gaby Mattmann, Chefbibliothekarin der Zürcher Pestalozzi Bibliothek fest. «Sie sind für viele nebst dem eigenen Zuhause und dem Arbeitsplatz der dritte, wichtige Ort.» Allerdings müssten sich die Bibliotheken ihrer Meinung nach zunehmend anders positionieren. Genau deswegen können in der Pestalozzi Bibliothek nicht mehr nur Bücher ausgeliehen, sondern auch zunehmend Anlässe besucht werden. «Manche treten einer Lesegruppe bei, Familien kommen, um Geschichten zu hören, und Migranten nehmen an Leseförderungsprojekten teil», so Mattmann.
Die Angst, Bibliotheken könnten an Wert verlieren, hat sich auch in der Zentral- und Hochschulbibliothek von Luzern nicht bewahrheitet. Über 2000 Bibliotheksbesuche werden täglich gezählt. Da die ZHB Luzern vor allem auf wissenschaftliche Bereiche spezialisiert ist, machen Studenten als Langzeitaufenthalter einen Grossteil der Besucher aus. «Es ist faszinierend zu sehen, dass ein Raum voller Bücher und lesender Menschen auch heute noch für viele ein bevorzugter Arbeitsplatz ist», sagt Ulrich Niederer, Direktor der Luzerner ZHB. Auch er ist davon überzeugt, dass Bibliotheken noch lange wichtig bleiben, jedoch vielfältiger genutzt werden. Für Cornel Dora, Stiftsbibliothekar in St. Gallen und Bibliotheksexperte, steht fest: «Die Bibliotheken sind weder im Rückzug, noch findet eine Marginalisierung des Buches statt.» Einzig der Konsum der Non-Books sei rückläufig, da diese zunehmend über das Internet konsumiert würden.
Leseratten jeden Alters
In der Ferienzeit stehen die Besucher der Solothurner Zentralbibliothek oft Schlange vor der Ausleihe. «Wir erleben eine richtige Renaissance. Umsatz und Besucherzahlen steigen kontinuierlich», gibt Peter Probst, Co-Direktor der ZB Solothurn, bekannt. Leseratten aller Altersklassen kämen regelmässig vorbei. «Trotz des Booms müssen die Bibliotheken ihre Rolle überdenken», so Probst. «Sie sollten zu Begegnungsorten und ihr Leistungsauftrag ausgeweitet werden.» Genau dies treffe auf die Londoner Idea Stores zu. Deren Mischung aus Biblio- und Mediothek sowie Volkshochschule und Learning-Center sei vorbildlich. Aus diesem Grund finden in der Zentralbibliothek Solothurn unter anderem auch Geschichtenstunden für Kinder statt.
Auch Christian Oesterheld, Chefbibliothekar Benutzung der Zürcher Zentralbibliothek, muss sich dank stark wachsender Besucherzahlen keine Sorgen machen: «Vor den Semesterprüfungen nutzen jeweils unglaublich viele Studenten die Räume der Bibliothek als Arbeitsort.»
Ort des Austauschs
Aber auch für viele Stadtbewohner sei die Literatur im historischen Gebäude ein Magnet. Für Oesterheld steht deshalb fest: «Unsere Bibliothek soll zu einem stetig genutzten Ort des Studiums, der wissenschaftlichen Arbeit und des Austauschs werden.» Aus diesem Grund kommen in der Zürcher ZB kontinuierlich neue Arbeitsecken hinzu.
Der Trend der steigenden Besucherzahlen setzt sich bei den Schweizer Gemeindebibliotheken fort. Viele Leute schätzen es, die Lektüre direkt im Wohnort beziehen zu können. Annelies Vessaz, Leiterin der Gemeindebibliothek in Biberist SO, spricht von einem aktuellen Besucherzuwachs, der sich wohl auch in Zukunft zeigen werde: «Ich bin davon überzeugt, dass es immer Menschen geben wird, die lieber ein gedrucktes Buch in der Hand halten, als einen Roman mit dem E-Book-Reader zu lesen.»
Angebot ausgebaut
Die Biberister Gemeindebibliothek verfügt vorwiegend über Jugend-, Erwachsenen- und Hörbücher. Gemäss Vessaz ist die Besucherfrequenz der vorwiegend älteren Kundschaft unterschiedlich: An manchen Tagen komme niemand vorbei, an anderen sogar mehr als 20 Personen.
Für die Gemeindebibliothek von Landquart GR läuft es ebenfalls sehr gut. Die Besucherzahl hat im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent zugenommen. Der grösste Teil der Kundschaft besteht aus Familien und älteren Leuten. Obwohl auch DVDs, CDs und Zeitschriften aufliegen, ist das gedruckte Buch in Landquart noch immer der Renner unter der ausgeliehenen Ware. «Bibliotheken sind keine herkömmlichen Bibliotheken mehr. Viele haben ihr Angebot ausgebaut», weiss Andrea Signer, stellvertretende Bibliotheksleiterin in Landquart. Der Verkauf von Gemeinde-Tageskarten der SBB sowie eine regelmässige Mütter-, Väter- und Altersberatung beeinflussen den Besucherzuwachs seit langem positiv.
Der Renner unter der ausgeliehenen Ware in der Gemeindebibliothek von Zweisimmen BE sind Kinderbücher. «Es gab immer wieder Zeiten, in denen prophezeit wurde, dass das Buch als Medium verschwinden wird», sagt Brigitta Schwarz, stellvertretende Bibliotheksleiterin. «Ich persönlich bin jedoch nicht davon überzeugt. Vor allem in ländlichen Gegenden hat das Buch nach wie vor einen grossen Stellenwert.» Wie bei den anderen Gemeindebibliotheken sind die Besucherzahlen in Zweisimmen alles andere als rückläufig. Dies dank der vielen 4- bis 80-jährigen Bücherfans und einiger Touristen.
Infobox: Jung und Alt lesen nach wie vor gerne Bücher
«Bibliotheken sind landesweit die am besten besuchten Kulturinstitutionen», sagt Hans Ulrich Locher, Geschäftsführer der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der allgemeinen öffentlichen Bibliotheken SAB. Über 3,5 Millionen Menschen haben das Angebot der Schweizer Bibliotheken im Jahr 2012 genutzt. Das entspricht fast 44 Prozent der Schweizer Bevölkerung über 15 Jahre.
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