Selbstgefälligkeit ist trügerisch: «Der die Taten anderer Menschen allzu genau bemisst, betrügt sich selbst, so wie er jene verletzt», schrieb der Engländer William Penn in seinen Aufzeichnungen «Früchte der Einsamkeit». Oder zur Ehe: «Wie die Liebe die beiden zusammenbringen sollte, ist sie das beste Mittel, sie eng zusammenbleiben zu lassen.» Das tönt so einsichtig, wie es ist, muss einer aber erst einmal in Worte fassen.
Der aus einer wohlhabenden Seefahrerfamilie stammende William Penn (1644–1718) schrieb diese bedenkenswerten Worte in London unter Hausarrest. Jetzt sind seine «Früchte» in neuer Übersetzung erschienen. Penn gehörte der Sektenbewegung der Quäker an und litt unter den Schikanen der Obrigkeit, die andere Glaubensrichtungen als die herrschende – protestantische – nicht zulassen wollte. Das Regime des aus Holland geholten Königs Wilhelm III. («William Orange») hielt jede Form der Dissidenz für schädlich. Penns «Früchte» erschienen 1693, als ihn die Religionshäscher in Ruhe liessen, aber seine Frau und sein ältester Sohn verstarben.
William Penn ist jedoch weniger wegen seiner Schriften in die Geschichte eingegangen. Er gilt als einer der Gründungsväter der USA, obgleich er die Unabhängigkeit des Landes von der britischen Krone nicht erlebte.
Penn ist im Namen des Staats Pennsylvania enthalten, den er als gesellschaftliches Musterland gründete – und der ihn masslos enttäuschte. Denn seine utopische Vision eines idealen Staates der Gleichheit und Brüderlichkeit war nicht umsetzbar.
In England die Verfassung für Pennsylvania erlassen
Schon am Anfang dieses Staates war die Sünde: William Penns Vater war Gläubiger des lebensfrohen Königs Karl II., der es auf immerhin ein rundes Dutzend uneheliche Kinder brachte – so genau weiss das niemand. Da der König keinen Grund sah, seine Schulden jemals zu begleichen, konnte Sohn William den Landstrich von 45 000 Quadratmeilen des heutigen Bundesstaats übernehmen. Damit war Karl II. doppelt gedient: Schulden etwas reduziert, Quäker abgeschoben. Der Deal ging über die Runden, ohne dass Penn je in den USA gewesen wäre.
Aber Penn erliess in England eine Art Grundgesetz für den Staat. Es beruhte auf absoluter Toleranz für Siedler und Einheimische. «Er strebte eine friedliche Koexistenz aller dort lebenden Menschen an», schreibt Herausgeber Jürgen Overhoff in der Einführung zur Neuauflage. Der hehre Grundsatz galt jedoch nicht für die Sklaven aus Afrika. Erst 1682, mit 42 Jahren, reiste Penn erstmals nach Amerika, damals ein lebensgefährliches Abenteuer. Frau und Kinder liess er zurück: Der Wunsch nach einem Paradies auf Erden war stärker als alles andere.
Nach zwei Jahren schien Penns Musterkolonie auf dem richtigen Weg. Er reiste zurück, um Frau und Kinder zu holen. Doch es sollte 15 Jahre dauern, bis er wieder nach Amerika kam. In dieser Zeit änderte sich Pennsylvania fundamental. Die Kolonie wurde so korrupt wie jede andere in dem von den Europäern neu besiedelten Kontinent.
Zum Schluss noch einmal Penn mit einem seiner «Früchtchen» über den «Moralisten», der er selbst war: «Der rechte Moralist ist ein grosser und guter Mann, doch ist er aus diesem Grund selten zu finden.»
Buch
William Penn
Früchte der Einsamkeit
313 S. (Cotta 2018) Erste fundierte Ausgabe 1785.
Übersetzung: Joachim Kalka