Ein Frauenarm wächst aus einer Mauer heraus. In der Hand brennt eine Fackel. Das surrealistische Bild wirkt bedrohlich – wie ein Albtraum. Die 1961 geborene, britische Künstlerin Bethan Huws liess sich für dieses Werk vom französischen Künstler Marcel Duchamp inspirieren. Genauer von seinem Bild «Etant donnés», das einen Wasserfall zeigt mit einer nackten Frau davor, die ebenfalls eine Fackel trägt.
Bezüge schaffen
Bethan Huws konfrontiert in ihrer neuen Ausstellung «The Large Glass» eigene Werke mit Objekten der Zuger Kamm-Sammlung. Diese enthält unter anderem Arbeiten des österreichischen Künstlers Josef Hoffmann (1870–1956). Seine Werke sind in der Wiener Moderne angesiedelt – jener gestalterischen Erneuerungsbewegung, die vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 30er das europäische Design prägte. Unter dem Titel «Das grosse Glas» entwarf Josef Hoffmann vor 100 Jahren zahlreiche in blau gehaltene Objekte. In diesem Zusammenhang schafft Bethan Huws nun ihrerseits ein grosses Glas für die Ausstellung in der Form einer Neon-Arbeit (Bild rechts unten). Sie wird aber auch eigens geschaffene Möbelstücke den Wiener Objekten gegenüberstellen. So entsteht eine Gesamtinstallation, die sich über das ganze Haus erstreckt.
Der Ausstellungstitel bleibt Programm: «The Large Glass» erinnert auch an den Künstler Marcel Duchamp (1887–1956), dessen Arbeiten Bethan Huws immer wieder inspirieren. Duchamps Werk «Large Glass» war eine aus heutiger Sicht mehr oder weniger unverständliche Glas-installation. Sie wurde im November 1926 in New York gezeigt und auf dem Transport nach der Ausstellung teilweise zerstört.
Ohne Ideologien
Bethan Huws schafft Bezüge von der Avantgarde eines Duchamps zu Hoffmann, der eine wichtige Figur der Wiener Moderne gewesen ist. Hoffmann war allerdings mit Duchamp ideologisch gar nicht verwandt. Der österreichische Entwerfer Hoffmann war ein Befürworter des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland und scheute sich nicht, einzelne Objekte mit einem Hakenkreuz zu versehen.
Der Hintergrund Hoffmanns passt nicht zur Sammlung Kamm, denn die Begründer Editha und Franz Kamm schufen ihre Kollektion in enger Zusammenarbeit mit dem sozialistischen Wiener Künstler Fritz Wotruba, einem engagierten Antifaschisten. Huws sagt, sein Einfluss auf die Kamm-Sammlung sei in ihren Augen prägend gewesen: «Deshalb ist es weniger die Sammlung eines Mäzens, sondern die Sammlung eines Künstlers – das finde ich faszinierend.» Und den politischen Hintergrund Hoffmanns findet Huws in dieser Ausstellung ohnehin unerheblich.
Die Objektkünstlerin wird in Zug auch ihre Wortvitrinen (schwarzes Bild oben) zeigen, die ihr den Durchbruch in der europäischen Kunstszene brach-ten. Das sind provokative Wortspiele, die sie auf Plastiksteck-Affichen verfasst. Man kennt diese Tableaux aus dem Alltag; günstige Restaurants in Belgien und Frankreich preisen darauf ihre Menus an. Huws verfasst mehrdeutige Wortkombinationen, oft in Form eingängiger Slogans, wie etwa: «Quoi de neuf?»
The Large Glass
Sa, 30.11.–So, 9.3.
Kunsthaus Zug
Fünf Fragen an Bethan Huws
«Ich brauche Wörter wie Farben»
kulturtipp: Wie kommen Sie dazu, die Wiener Moderne mit der Sammlung Kamm zu konfrontieren?
Bethan Huws: Marcel Duchamp prägt meine Kunst. Die Auseinandersetzung mit ihm gehört zu meiner Arbeit, auch wenn ich mich mit einer anderen Kunstrichtung beschäftigen würde als der Wiener Moderne.
Ihr Werk ist vieldeutig, was soll der Betrachter beispielsweise unter einer brennenden Fackel in einer Frauenhand verstehen?
Duchamps Werk enthält viele versteckte Wortspiele. Hier hat er an den Ausdruck «tomber sur une bec de gaz» gedacht – «auf eine grosse Schwierigkeit stossen». Die Frauenfigur ist also mit einer schmerzhaften Herausforderung konfrontiert. Aber man kann auch an die Freiheitsstatue in New York denken.
Sind Sprache und Kunst für Sie unzertrennlich?
Ohne Sprache könnte ich keine Kunst machen; ich bin eine Wortkünstlerin. Ich brauche Wörter wie Farben, nur ist das selbst heutzutage in der Kunstwelt noch nicht so akzeptiert.
Aber Ihre Wortschöpfungen sind so vielfältig, dass sie missverstanden werden können.
Nein, ich finde, sie sind nicht mehrdeutiger als irgendeine Skulptur. Jeder Mensch hat zwar eine Menge Projektionen, aber wenn er sich mit meinem Werk auseinandersetzt, wird er es verstehen.
Unter einem Ausdruck «ça colle ou ça colle pas» kann man vieles verstehen.
Ja, Duchamp hat viel mit Leim gearbeitet – darum meine Feststellung «es klebt oder es klebt nicht». Etwa im Sinn, etwas bleibt in unserem Gedächtnis haften oder nicht. Aber auch allgemeiner: Etwas stimmt oder nicht.
Bethan Huws
Die walisische Objektkünstlerin Bethan Huws lebt in Berlin («für mich besser als Paris»). Die 52-Jährige besuchte das Royal College of Art und ist mit ihren «Wort-Vitrinen» berühmt geworden. Sie verfasst auf Plastik-Stecktafeln mit vorgefertigten Buchstaben Slogans, die meisten davon mit absurder Bedeutung («Piss off I’m a fountain!»). Huws Werke waren in der Schweiz bereits in Basel und Bern zu sehen.