«Weil es die Musik dazu ist.» Mit diesen Worten begründet der Gitarrist und Sänger Sam Gallati, weshalb er mit Claudio Strebel (Kontrabass, Gesang) das Debüt-album «Afrobilly» seines Duos The Knocked Out Rhythms auf Vinyl veröffentlicht. Eine Schallplatte mit acht Stücken. Für Gallati ist es eine Rückkehr zu den Anfängen, hatte er doch vor 25 Jahren als Gründungsmitglied der Luzerner Band Mother’s Pride die erste Musik als Vinyl-Single herausgebracht.
Keine Nostalgiker
Vinyl erscheint Gallati und Strebel als das passende Medium für ihre Musik. Sie lehnt sich bei alten Stilen, nämlich Rhythm ’n’Blues und Rockabilly, an. Nostalgiker sind die beiden allerdings nicht. Sie eignen sich altes Material an, um es auf ihre eigene Art zu interpretieren. Das gilt für die Coverversionen, die sie an Konzerten spielen. Aber auch die eigenen Stück auf dem Album sind im Geist der Musik aus den 1950er-Jahren gehalten. Sam Gallati betont: «Es ist zwar Rockabilly, aber wir machen heutige Musik. Wir wollen nicht traditionalistisch tönen wie anno 1959.»
Schönes Soundbild
Welches sind die Vorteile einer Schallplatte? Die Musik töne auf Schallplatte anders als auf CD, ist Gallati überzeugt. «Das Soundbild ist extrem schön; es ist ein warmer Klang, es knistert und rauscht.» Hinzu komme ein wenig Nostalgie, das coole Gefühl, eine Platte auf den Plattenspieler zu legen und die Nadel aufzusetzen, etwas Schönes in der Hand zu halten. Nostalgische Maschinenstürmer oder Feinde der heutigen Technik sind Strebel und Gallati keineswegs. Auch wer keinen Plattenspieler mehr zu Hause hat, kann in den Genuss ihrer Musik kommen. Das komplette Album «Afrobilly» lässt sich via Homepage der Band runterladen – gratis.
Immer mehr Bands setzen (auch) auf Vinyl. In Ankündigungen liest man seit jüngstem vermehrt die Abkürzungen «CD/LP/DL» – Compact Disc, Langspielplatte und Download-Möglichkeiten. Auch führen Musikzeitschriften wieder eigene Vinyl-Rubriken; Nachpressungen sind gefragt. So erschienen dieses Jahr alle Beatles-Alben bis zum «Weissen Album» als Mono-Fassung in einer Sammelbox. Begehrt sind Wiederveröffentlichungen von lange vergriffenen Platten, nicht selten in speziellen Editionen, mit Extras versehen und in limitierten Auflagen. Kleine Schallplattenläden öffnen wieder ihre Türen.
Fünf Plattenhersteller
Noch fünf Plattenhersteller produzieren Vinyl in Europa. In Deutschland werden inzwischen Platten für den internationalen Markt auf Pressmaschinen hergestellt, von denen die neusten aus den 1980er-Jahren stammen. Sie produzieren rund um die Uhr, um der grossen Nachfrage des US-Marktes nachzukommen – mit Millionen von Stückzahlen.
In einer Zeit, in der Branchenkenner der CD keine zehn Jahre mehr geben, regt sich die Vinyl-Kultur. Es ist eine Rückkehr zum Haptischen, zum Greifbaren. Auch Cover-Kunst kommt wieder zur Geltung. Schallplatten konnten früher oft auch auf visueller Ebene punkten, mit grosszügiger grafischer Gestaltung, künstlerischen Extras oder gut lesbaren Textblättern, wie sie die kleinen Dimensionen einer CD nie erlauben.
Schallplattenumschläge wie jene von Andy Warhol gab es lange nicht mehr. Legendär ist sein LP-Cover für Velvet Underground: Das Debütalbum «The Velvet Underground With Nico» (1967) zierte ein echter Warhol, eine Siebdruck-Banane, die sich vom Cover schälen liess. Für das Rolling-Stones-Album «Sticky Fingers» in der Originalausgabe von 1971 gestaltete Warhol ein dreidimensionales Jeans-Cover mit Reissverschluss.
Verkaufszahlen steigen
Die Schallplatte hatte ihren Höchststand mit einem Verkaufsrekord im Jahr 1976. Die CD kam 1982 auf den Markt. Ein Jahr später betrug der Anteil von Vinyl auf dem US-Musikmarkt noch über 50 Prozent, dicht gefolgt von der heute längst verschwundenen Musikkassette. Die CD machte damals einen verschwindenden Anteil von 0,5 Prozent aus und erreichte ihren Rekord im Jahr 2000. Vinyl, das zwischenzeitlich praktisch verschwunden war, brachte es 2013 auf einen Anteil von 3 Prozent. Im Vergleich: Downloads und Streams erreichen zusammen rund 47 Prozent.
Aktuelle Zahlen aus den USA zeigen einen Einbruch des CD-Umsatzes um 15 Prozent und einen Anstieg der Schallplattenverkäufe um 33 Prozent. In absoluten Zahlen: 2012 wurden weltweit gut sieben Millionen Schallplatten und 90 Millionen CDs verkauft. Der Online-Händler cede.ch in Winterthur, der portofrei liefert, bietet beispielsweise 112 000 Schallplatten und 900 000 CDs an (ohne Klassik).
Vinyl ist zweifellos wieder gefragt. Der Nischentrend für Liebhaber, Sammler und ein Publikum mit einem geschärften ästhetischen Bewusstsein ist unüberhörbar. Mit Auswirkungen auch auf den Geräte-Markt: In Deutschland wurden 2013 mehr Plattenspieler als CD-Player verkauft.
Quellen Verkaufszahlen: «Rolling Stone», theregister.co.uk, RIAA (Recording Industry Association of America)
LP
The Knocked Out Rhythms
Afrobilly
(www.knockedout.ch 2014).
Buch
Dominique Dupuis
Rock Vinyl.
Die 700 legendärsten Plattencover
272 Seiten
(Heel Verlag 2012).