Der Waschküchenschlüssel – seit Hugo Loetschers 1983 erschienenem Glossenband hat er eine besondere Bedeutung: In seiner Geschichte kommt ein Junggeselle in Teufels Küche, als er seinen Waschtag ausfallen lässt und den Schlüssel unbedarft einer Nachbarin weitergibt, ohne die heilige Hausordnung zu beachten. Schliesslich kommt er zur Einsicht: «Wir benutzen die Waschküche wie unsere Demokratie – nicht so sehr als Boden für Freiheiten, dafür um so lieber als Fundament für eine Hausordnung.»
Viele Kommentare wirken noch heute frisch
Auch wenn die Waschküche mittlerweile an Sprengkraft verloren hat, zumal viele eine eigene Waschmaschine besitzen, regen Hugo Loetschers Beobachtungen zu Schweizer Eigenarten auch heute noch zum Schmunzeln oder Nachdenken an. Einiges ist angestaubt und Begriffe wie «Serviertochter» fast ausgestorben. Die Schweiz hat sich in diesen fast vier Jahrzehnten verändert, aber viele Kommentare wirken dennoch erstaunlich taufrisch. Etwa Loetschers Überlegungen zu den sieben Todsünden. Er ist überzeugt, dass diese den Schweizern nicht liegen: «Denn Todsünden sind radikale Sünden. Unsere Sparte sind mehr die lässlichen Sünden, kleine, dafür viele, weil wir die Region und die Gemeindeautonomie auch beim Sündigen mitberücksichtigen müssen.» Und er kommt zum Schluss: «Wir sind für die Mitte, und in der Mitte liegt das Fegefeuer.»
Am 22. Dezember jährt sich der 90. Geburtstag des vielfach ausgezeichneten Autors, der als Arbeiterkind in Zürich aufwuchs und nach seinem Studium der Politischen Wissenschaften als Redaktor für die NZZ, die «Weltwoche» und viele andere gearbeitet hat. Mit seinem autobiografischen Roman «Der Immune» von 1975, der heute zu den Klassikern zählt, offenbarte er seine verletzliche Seite und seine Aussenseiter-Rolle – etwa als Homosexueller in einer moralisch rigiden Zeit.
Hugo Loetscher war ein Kosmopolit: Der Zürcher studierte in Paris, drehte in Portugal einen Film, der verboten wurde, und verliess seine Heimatstadt auch später immer wieder. Aus Asien, Afrika und Südamerika, besonders Brasilien, schrieb er Reportagen. So konnte er die Eidgenossen und ihre engen Grenzen sowohl aus dem Inneren als auch aus der Ferne betrachten – und seine liebevoll-bissigen Kommentare abfeuern, um humorvoll helvetische Heiligtümer auseinanderzunehmen.
«Auseinandersetzung mit der alltäglichen Schweiz»
Eine Wiederlektüre des Kolumnenbands mit Texten, die damals bei verschiedenen Zeitungen und Magazinen erschienen sind, lohnt sich. Das hielt auch Literaturkritiker Peter von Matt in einem Interview zum 10. Todestag des Schriftstellers in diesem Jahr fest. Der Band enthalte «eine Reihe amüsant-frecher Auseinandersetzungen mit der alltäglichen Schweiz». Und er ergänzt: «Man sieht daran, dass Hugo Loetscher das Schreiben selbst mehr vergnügt hat als der Gedanke an ein feierlich-unsterbliches Opus magnum.»
Buch
Hugo Loetscher
Der Waschküchenschlüssel oder
Was – wenn Gott Schweizer wäre?
Erstausgabe: 1983
Heute erhältlich bei Diogenes