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So lässt sich Wahnsinn in Worte fassen: «Das vordergründige Muster ist eine Blumenarabeske, an einen Pilz gemahnend. Können Sie sich eine endlose Abfolge von Giftpilzen vorstellen?» Mit diesen Worten beschreibt eine wohlhabende junge Frau die gelbe Tapete ihres Zimmers in einer Ferienvilla. Ihr Ehemann hat sie hierhergebracht. Denn als Arzt wisse er am besten, was gut für sie ist. Sie soll sich in diesem fürchterlichen Zimmer von den Strapazen der Geburt ihres ersten Kinds erholen. Jedenfalls sagt er das.
Das ist der Kern der autobiografisch geprägten Schauererzählung «Die gelbe Tapete» der US-amerikanischen Schriftstellerin und Feministin Charlotte Perkins Gilman (1860–1935). Das Büchlein ist jetzt neu bei Dörlemann auf Englisch und Deutsch herausgekommen. Es erinnert an eine ungewöhnliche Frau, deren Lebensgeschichte ein einziger langer Kampf um Selbstbehauptung war.
Perkins Gilman wuchs in Providence im US-Gliedstaat Rhode Island auf und liess sich zur Künstlerin ausbilden. In ihrer ersten Ehe mit einem Maler hatte sie ein Kind, nach vier Jahren kam die Trennung. In Kalifornien lernte sie die Aktivistin Helen Campell kennen, die sie politisierte. Fortan engagierte sie sich in der Frauen- und Friedensbewegung, verfasste Schriften, etwa über einen fiktiven Staat in Lateinamerika, in dem nur Frauen lebten. Die nahezu vergessene Schriftstellerin war eine begnadete Rhetorikerin und eine blitzgescheite Analystin. Aber sie litt immer wieder unter Depressionen. Mit 75 Jahren nahm sie sich nach dem Tod ihres zweiten Mannes das Leben.
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