Wieder gelesen: Wo der Flügelflagel gaustert
Zum 100. Todestag von Christian Morgenstern hat die Edition Büchergilde einen prächtigen Gedicht- und Bildband zu den Galgenliedern mit Illustrationen von Hans Ticha herausgegeben.
Inhalt
Kulturtipp 09/2014
Babina Cathomen
Ein eigenartiges Tierchen ist das Nasobem, das stolz auf seinen Nasen einherschreitet: Christian Morgenstern (1871–1914) hat das Fantasiegeschöpf erfunden, das seither sogar in wissenschaftlichen Kreisen Berühmtheit erlangte und zu einem Lexikoneintrag gekommen ist. Wer schon immer wissen wollte, wie Morgensterns berühmtes Nasobem aussieht, findet im neuen Band der Edition Büchergilde eine Variante.
Mondschaf und Wiesel
Ein eigenartiges Tierchen ist das Nasobem, das stolz auf seinen Nasen einherschreitet: Christian Morgenstern (1871–1914) hat das Fantasiegeschöpf erfunden, das seither sogar in wissenschaftlichen Kreisen Berühmtheit erlangte und zu einem Lexikoneintrag gekommen ist. Wer schon immer wissen wollte, wie Morgensterns berühmtes Nasobem aussieht, findet im neuen Band der Edition Büchergilde eine Variante.
Mondschaf und Wiesel
Der 73-jährige deutsche Illustrator Hans Ticha hat zu Morgensterns Gedichten farbenprächtige, auf wenige Formen reduzierte Zeichnungen gestaltet, die Morgensterns Witz und seine übersprudelnde Fantasie einfangen. Nebst dem Nasobem tummeln sich andere bekannte Wesen im Band – vom Mondschaf über das ästhetische Wiesel bis zum bedauernswerten Raben Ralf.
Entstanden sind die Galgenlieder im Jahr 1895 in einer morbiden Runde junger Leute, die sich «Galgenbrüder» nannten und sich jeweils am Galgenberg in Werder bei Potsdam trafen, um ironisch-schauerliche Rituale zu zelebrieren. Der damals 24-jährige Morgenstern gehörte zu ihnen und lieferte die passenden Lieder. Erst zehn Jahre später wurden seine grotesken Texte gedruckt und begründeten seinen Ruhm als humoristischer Dichter.
Als Motto ist den Galgenliedern ein Nietzsche-Zitat vorangestellt: «Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen.» Tatsächlich lösen Morgensterns Gedichte ein kindliches Vergnügen am (vermeintlichen) Unsinn und am schmissigen Reim aus. Den munteren Gedichten wohnt aber oft eine Düsternis oder ein leises Unbehagen an der Welt inne. Der Dichter, der mit 42 Jahren an Tuberkulose starb, pflegt darin einen spielerischen Umgang mit dem Tod: Weder das Mondschaf noch der Rabe Ralf überleben das Ende des Gedichts.
Virtuoses Sprachspiel
Morgensterns Gedichte sind eine Absage an die sprachlichen Konventionen seiner Zeit. Virtuos spielt er mit der Sprache und schafft nebst Fabelwesen auch Wortkreationen, die nur vordergründig nichts bedeuten. «Der Flügelflagel gaustert durchs Wiruwaruwolz, die rote Fingur plaustert und grausig gutzt der Golz», heisst es etwa im «Gruselett» – darunter kann sich jeder Leser seine ganz eigene Geschichte vorstellen.
Christian Morgenstern
«Alle Galgenlieder»
Mit 63 Illustrationen von Hans Ticha
368 Seiten
(Edition Büchergilde 2014).