So tönt schiere Verzweiflung: «Er schlug seinen Kopf gegen den knorrigen Baumstamm, verdrehte die Augen und heulte nicht wie ein Mensch, sondern wie ein wildes Tier, das mit Messern und Speeren zu Tode gehetzt wird.» Der Protagonist Heathcliff in «Sturmhöhe» leidet unter dem Tod seiner geliebten Cathy, nach der er sich zeitlebens verzehrte.
Gefühlsausbrüche wie dieser Traueranfall sind gewiss nicht jedermanns Geschmack. Wer sich aber auf diesen sperrigen Text der viktorianischen Schriftstellerin Emily Brontë (1818–1848) einlässt, dem ist ein unvergessliches Leseerlebnis gegönnt.
Heute ist das Elternhaus der Brontës Wallfahrtsort
Zum 200. Geburtstag von Emily Brontë ist kürzlich ihr einziger Roman «Sturmhöhe» von 1847 neu herausgekommen. Mit einem Cover, wie es sich gehört: Die Fotografie eines windschiefen Baums, der in der Moorlandschaft der nordenglischen Grafschaft Yorkshire steht, ihrer Heimat.
Zwei Ich-Erzähler berichten als aussenstehende Beobachter von der verschachtelten Geschichte. Heathcliff kommt als Findelkind aus Liverpool in eine ordentliche Familie, wo er mit den beiden Kindern Hindley und Cathy aufwächst. Es entwickelt sich eine symbiotische Beziehung zwischen Cathy und Heathcliff, während dieser von Hindley gequält und in den Stall verbannt wird.
Cathy wendet sich trotz ihrer Liebe für Heathcliff schliesslich dem künftigen Erben eines benachbarten Guts zu. Heathcliff verschwindet im Zorn, kehrt aber nach drei Jahren als vermögender Mann zurück, um Cathy zu heiraten. Sie ist jedoch schon vergeben und dazu schwanger. Sie liebt Heathcliff zwar noch immer, will sich aber an die bürgerlichen Vorgaben einer treusorgenden Ehefrau halten. Es kommt zum Drama, unter dessen Folgen die kommende Generation zu leiden hat.
Der Kultstatus des Romans hat viel mit der Autorin zu tun. Sie war die jüngere Schwester der erfolgreichen Schriftstellerin Charlotte Brontë. Wie diese versteckte sich Emily hinter einem Pseudonym – Romaneschreiben galt in der viktorianischen Zeit als einer Lady unwürdig.
Emily Brontës kurzes Leben ist nur in groben Zügen bekannt. Mit Charlotte zusammen verliess sie ihr Elternhaus im Nest Haworth und reiste in ein «Pensionnat de Demoiselles» nach Brüssel. Die beiden jungen Frauen wollten Französisch lernen, vor allem aber der Tristesse der nordischen Moorlandschaft entkommen. Dennoch kehrten sie später nach Yorkshire zurück, wo Emily Brontë bis zu ihrem Tod die Führung des Haushalts übernahm. Sie galt als eine blitzgescheite, aber sehr zurückhaltende Person, die in ihrer Schroffheit auf Ablehnung stiess. Kritiker sehen in ihrer Figur Heathcliff ein Alter Ego der Verfasserin.
Das Elternhaus der Brontës ist heute ein Wallfahrtsort begeisterter Leser. Die Gemeinde Haworth lebt vom Andenken an diese Familie – Souvenirshops und Hamburger-Bars inklusive.
Buch
Emily Brontë
Sturmhöhe
Deutsche Erstausgabe: 1851, aus dem Engl. von Michaela Messner, heute
bei dtv erhältlich