Das ist Lebenslust pur. «Der Himmel leuchtete bläulich. Wir stiegen aus dem Wagen, um alte indianische Ruinen zu besichtigen. Dean war völlig nackt. Marylou und ich zogen uns einen Mantel über …» Das ist eine Schlüsselszene aus dem Roman «Unterwegs» des US-Autors Jack Kerouac (1922–1969). Die wilde Reisegeschichte quer durch die Vereinigten Staaten bis nach Mexiko machte Kerouac weltberühmt, und sie prägte das Lebensgefühl der Beat-Generation.
Ein neues Lebensgefühl wird geboren
Die beiden Kumpels Sal und Dean fahren konventionell in Autos durch die Provinz, meist in gestohlenen. Oder sie setzen auf Greyhound-Busse, beziehungsweise Güterzüge, Lastwagen und Autostopp. Erlaubt ist alles, was dem Weiterkommen dient.
Dabei sind sie vordergründig auf der Suche nach dem permanenten Rausch, nach Jazz und vor allem Girls. Tatsächlich jedoch wollen sie den Sinn des Lebens ergründen mit spirituellem Impetus: «Schwierigkeiten sind der Gottesbeweis», sagt Dean tröstend zu Sal, nachdem dieser über seine schwere Jugend jammerte. Der Allmächtige scheint sie auf ihren Reisen treu zu begleiten. Denn Sorgen belasten die beiden unentwegt, allein schon der Zaster fehlt … Die religiöse Hinwendung ist der rote Faden durch «Unterwegs».
«Dem Roman ‹Unterwegs› gelang etwas, was nur wenige literarische Werke erreichen», schrieb der Pulitzer-Preisträger Thomas Powers, «das Buch führte bei den Lesern zu neuen Denk- und Verhaltensmustern.» Tatsächlich war diese «Road Novel» ein Schlüsselwerk für den Aufbruch der Beat-Generation in den späten 50ern, die zur 68er-Rebellion in den USA und später in Europa führte – «Sex, Drogen und Jazz». Von Nobelpreisträger Bob Dylan über den Schauspieler Johnny Depp bis zum Bestsellerautor Thomas Pynchon – alle entboten Kerouac ihre Anerkennung. In Filmen wie «Easy Rider» oder im Roman «Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten» von Robert M. Pirsig fand das Buch direkten Niederschlag. «Kerouac selbst wollte aber die Welt nicht verändern und verstand sich nicht als Anführer der Beat-Generation, wie ihm unterstellt wurde», konstatiert der englische Literaturkritiker Patrick Early. Der Erfolg wuchs Kerouac vielmehr über den Kopf.
Heute, 60 Jahre später, hat der Roman seine romantische Faszination etwas verloren. Was am angejahrten Leser wie am Buch selbst liegt: Man liest «Unterwegs» mit nachsichtigem Amüsement und versucht – manchmal vergeblich –, die Sehnsüchte von Kerouacs Alter Ego Sal Paradise sowie dessen Reisekumpan Dean Moriatry zu verstehen. Jack Kerouac war vom Schreiben besessen. Eine Fassung von «Unterwegs» schrieb er auf einer Papierrolle, um auf der Schreibmaschine nicht die Blätter austauschen zu müssen, was seinen Schreibfluss gehemmt hätte. Aber neben dem Schreiben war er dem Leben kaum gewachsen. Er fühlte sich stets seiner Mutter nahe verbunden und natürlich seinem Kumpan Cassady. Ansonsten war er ein einsamer Mann, der sich missverstanden fühlte und sein Elend im Alkohol ertränkte.
Buch
Jack Kerouac
«Unterwegs»
384 Seiten
Deutsche Erstausgabe: 1978
Heute erhältlich bei Rowohlt (2011).
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