Dieser Satz tönt wie eine Ansage: «In der Tat stirbt man nicht, sondern man erwacht.» Die Baslerin Lore Berger hat diese Worte ungefähr ein Jahr vor ihrem Tod im Roman «Der barmherzige Hügel – Eine Geschichte gegen Thomas» geschrieben. Jetzt hat der Zürcher Germanist Charles Linsmayer diesen Roman neu herausgegeben, zusammen mit Auszügen aus dem Tagebuch sowie der Biografie von Lore Berger. Der Band ist ein gesellschaftlicher Spiegel der schweizerischen Zwischenkriegs- und Kriegszeit, als die Verhältnisse eng waren – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Darunter hatte Lore Berger gelitten; eine unglückliche Liebesgeschichte Ende der 1930er-Jahre wurde für sie zur Projektionsfläche des zeitgenössischen Elends.
Aus wohlbehüteter Basler Familie
Lore Berger kam 1921 in Basel zur Welt. Sie wuchs am Thiersteinerrain, auf dem gutbürgerlichen Bruderholz, auf. Ihre Eltern waren Lehrer, sie lebte in einem wohlbehüteten Milieu. Die junge Lore besuchte das Mädchengymnasium am Barfüsserplatz. Nach der Matur studierte sie Literatur und Kunstgeschichte an der Universität Basel und wurde freie Mitarbeiterin der Zeitschrift «Schweizer Hausfrau». Sie meldete sich zum freiwilligen Frauenhilfsdienst und wurde Sekretärin am Territorialgericht. Kurz vor ihrem Tod wechselte sie zur Basler Vormundschaftsbehörde. Eine abgelehnte Solderhöhung war der äussere Anlass. Sie war allerdings mit ihrem Vorgesetzten, einem Artillerieoffizier, liiert, die Beziehung ging in jener Zeit in die Brüche. Was genau in der jungen Frau damals vorging, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Sie stürzte sich am Samstag, 14. August 1943, vom Wasserturm auf dem Bruderholz.
Liaison als Auslöser eines Dramas
Lore Berger verzweifelte nicht allein an den schwierigen Zeitumständen, als die Schweiz von faschistischen Staaten umzingelt war. Berger litt Ende der 1930er-Jahre unter Magersucht, einer Krankheit, deren Tragweite damals wenig bekannt war. Ihr Vater erkannte indes, dass das Fasten eine Art Suizid in Raten war. Berger fand zur Gesundheit zurück, blieb aber unglücklich: «Genesung ist Schmerz», lautet der Titel des zweitletzten Kapitels ihres Romans.
Auslöser des Dramas war eine kurze Liaison mit dem drei Jahre älteren, angehenden Geschäftsmann Alfred Erhart, der ihr als Vorlage für den «Galan» Thomas im Roman diente. Die Beziehung war offenkundig einseitig: Während Lore Berger sich nach ihm verzehrte, war sie für ihn lediglich eine Bekanntschaft unter anderen. Herausgeber Charles Linsmayer kontaktierte den alten Mann 1981. Dieser konnte sich nur noch «dunkel» an die Begegnung erinnern.
Talentierte Schreiberin mit packender Sprache
Lore Berger konnte schreiben. Sie vermochte das Erlebte in eine packende Sprache umzusetzen. Dies illustriert eine Schlüsselszene, als Esther und Thomas zusammen auf den Wasserturm steigen: «Da ist mir, ich zerbreche … Ich weiss, wie du näher und näher zu mir kommen willst mit deiner ausgehungerten Gier nach meinem Körper, die ich immer abgewiesen habe und die ich doch liebe …»
Buch
Lore Berger
Der barmherzige Hügel – Eine Geschichte gegen Thomas
320 Seiten
Erstausgabe: 1944
Neu erhältlich bei Th. Gut Verlag (2018)