Man kennt diese kurzen Leseerlebnisse, die unvergesslich bleiben: Zum Beispiel die Verzweiflung des Geheimagenten James Wormold in Kuba, der unter massivem Druck seiner britischen Auftraggeber in London steht – er soll ihnen substanzielles Material liefern über die Verhältnisse in Kuba, wo sich eben die Revolution anbahnt. Wormold, ursprünglich ein Staubsauger-Vertreter, steckt in einem finanziellen Engpass wegen des extravaganten Lebensstils seiner Tochter. Er hat keine Wahl.
Zwischen den Fronten
Um aus der Klemme zu kommen, schickt er simpel nachgezeichnete Konstruktionsskizzen von Staubsaugern nach London und verkauft sie dem britischen Geheimdienst als angeblich streng geheime Pläne eines riesigen Militärkomplexes. Im Hauptquartier ist man beeindruckt von dieser raffinierten, militärischen Irreführung der kubanischen Machthaber, denn Wormolds Pläne erinnerten die Londoner auf den ersten Blick an einen Staubsauger.
Das ist der Witz des englischen Romanciers Graham Greene (1904–1991) in seinem Roman «Unser Mann in Havanna», einem seiner besten. Der überforderte Hobby-Geheimdienstler Wormold erkennt in «Unser Mann in Havanna» nach und nach, wie prekär seine Lage wird. Er versucht, sich aus den Fängen seiner Londoner Auftraggeber zu lösen, und gerät zwischen die Fronten. Der Schluss sei nicht verraten – aber alle können ihr Gesicht wahren.
Diese Geschichte ist ebenso spannend zu lesen wie Greenes früher geschriebener Agententhriller «Der dritte Mann», der nun als Hörbuch neu inszeniert wurde (siehe Seite 21). Das ist allerdings ein ernsthafter Roman, der im Kalten Krieg von Wien spielt. Ein Westernautor geht dem Unfalltod eines Freundes nach. Der Held gerät in ein Dickicht von Intrigen und Verdächtigen – und merkt, dass er von seinem angeblich verstorbenen Freund verfolgt wird. Dieser ist in ein gefährliches Komplott verwickelt. Das Buch verbreitet die drückende Atmosphäre des Kalten Kriegs – mit seiner latenten Bedrohung.
Leben wie im Roman
Graham Greene war eine schillernde Figur im letzten Jahrhundert; zumal er selbst für den britischen Geheimdienst arbeitete. Wie der Klischee-Agent fühlte er sich besonders zu den Frauen und der Flasche hingezogen.
Der US-amerikanische Geheimdienst observierte ihn im Kalten Krieg, weil er der Kommunistischen Partei beigetreten war. Seine munteren Eskapaden hinderten ihn indes nicht daran, zum Katholizismus zu konvertieren. Der Mann führte ein Leben wie einer seiner Romanhelden, ein Held zwischen Fronten, der im Alter zusehends grantig wurde. Seine letzte Lebenszeit verbrachte Greene in der Schweiz, sein Grab ist am Genfersee.
Literarisch steht sein umfangreiches Werk in der Tradition eines Joseph Conrad – zutiefst kolonialistisch und europäisch zentriert. Aber er ist ein brillanter Erzähler. Der auf jeder Buchseite Spannung erzielen kann – stets mit viel sprühendem Witz. Da erinnert er an Evelyn Waugh, das literarische Pendant von Greene, der ebenso ein katholischer Konvertit war.
Graham Greene
«Unser Mann in Havanna»
249 Seiten
Deutsche Erstausgabe: 1959
Heute erhältlich bei DTV.