Nach der Trennung von der Stadt Basel 1833, herrschte im Landkanton liberale Aufbruchstimmung. Man glaubte an den sozialen und gesellschaftlichen Fortschritt. Da kam den Citoyens ein aus Preussen weggewiesenes kämpferisches Paar gerade recht, das Asyl suchte: Georg Herwegh machte sich in jungen Jahren mit seiner revolutionären Lyrik einen Namen, einen guten bei den Erneuerern der Vormärz-Bewegung, einen schlechten bei den staatlichen Autoritäten im konservativen Preussen von König Friedrich Wilhelm IV.
Zeit seines Lebens mit Karl Marx verbunden
Emma Siegmund war die Tochter eines wohlhabenden Seidenfabrikanten in Berlin. Sie hatte einst Herweghs revolutionäre Gedichte gelesen. Diese sollen sie derart entflammt haben, dass sie den Lyriker gleich treffen wollte. Die beiden jungen Heisssporne teilten ihren rebellischen Impetus und verlobten sich 1842 in Berlin. In jener Zeit arbeitete er als Redaktor der Zeitschrift «Die junge Generation» und veröffentlichte 1843 den Sammelband «Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz» mit unveröffentlichten Beiträgen für die Zeitschrift, die der Zensur zum Opfer fielen. In diesen polemisiert er, meist mir bissiger Ironie, über die politischen Verhältnisse in den deutschen Teilstaaten.
Das Paar landete zwar zuerst in Zürich, aber auch da eckte es mit seinem Furor an und musste ins Baselbiet ausweichen. Die Gemeinde Augst empfing sie mit offenen Armen, später liessen sie sich in Liestal nieder. Nur glücklich waren sie allerdings bei aller Verbundenheit nicht: Er verliebte sich in die Frau eines Freundes; sie zog nach Genua und schloss sich den italienischen Patrioten an. Später fanden sie sich wieder in der Schweiz.
Herwegh war ein engagierter Schreiber, der seine Ideen weit- verbreitet haben wollte: Zeit seines Lebens mit Karl Marx verbunden, schrieb er regelmässig für dessen Publikationen. Einmal erwogen die Paare Herwegh und Marx sogar, in Paris eine Wohngemeinschaft zu bilden.
Die literarische Würdigung Emma und Georg Herweghs ist bis heute eine Frage der politischen Haltung: Die einen sehen in ihnen revolutionäre Wegbereiter der aufgeklärten Demokratie, andere pathetische Propagandisten.
Auf den Spuren des Paars
Jedenfalls traf Herweghs «Bundeslied» zur Gründung des «Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins» die damalige Stimmung in Teilen der Gesellschaft ziemlich genau: «Mann der Arbeit, aufgewacht! Und erkenne deine Macht! Alle Räder stehen still. Wenn dein starker Arm es will.» Herwegh war indes nicht nur Propagandist: So widersetzte er sich dem Nationalismus, der sich nach dem deutsch-französischen Krieg 1871/72 verbreitete. Revolutionärer Impetus hin oder her, die Herweghs finden im Baselbiet weiterhin grosse Bewunderung, auch wenn der Kanton heute sehr bürgerlich tickt. Nach zahlreichen Lesungen bietet nun die Germanistin Martina Kuoni von der Literaturspur einen Rundgang durch Liestal auf den Spuren des Paars an.
Literarischer Spaziergang
Do, 1.6., 17.30 Liestal
Anmeldung: www.literaturspur.ch
Treffpunkt wird bei der Anmeldung bekannt gegeben
Buch
Georg Herwegh
«Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz»
Erstausgabe: 1843
Neuauflage 2017: Forgotten Books.