Ein junges, unschuldiges Mädchen verliebt sich in einen schottischen Landsknecht. Unglücklicherweise ist der Mann der Mörder ihrer Pflegeschwester und deren Familie. Als das Mädchen dies erkennt, steht es vor einem unlösbaren Dilemma – Liebe oder Rache? «Das härteste Schicksal eines Menschen, der seines Lebens beraubt wurde, ist es, keinen Frieden zu finden, weil er seinen Mörder verfolgen muss.» Um diesen Widerspruch kreist die Erzählung «Herrn Arnes Schatz» der schwedischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf (1858–1940), die als erste Frau den Literaturnobelpreis erhielt. Der Band ist nun in einer wunderbar gebundenen Ausgabe neu herausgekommen mit berührenden Illustrationen der deutschen Künstlerin Roberta Bergmann.
Der Edelmann entpuppt sich als Mörder
Die Handlung ist mysteriös: Pfarrer Arne lebt mit seiner Familie und dem Pflegekind Elsalill in einem südschwedischen Ort. Der gottesfürchtige Mann verfügt über einen Silberschatz, zu dem er indes nicht rechtmässig gekommen ist. Er wurde in den Religionswirren der Reformation einst der katholischen Kirche geraubt und soll seither Unglück bringen. Tatsächlich werden Pfarrer Arne und seine Familie Opfer von drei Räubern. Nur die kleine Elsalill überlebt in einem Versteck. Die Geschichte beruht auf einer Gegebenheit, die sich im 16. Jahrhundert tatsächlich zugetragen haben soll.
Das Alter von Elsalill bleibt unklar. Die Autorin beschreibt sie zwar als Kind, doch bald erliegt sie Sir Archie, einem angeblich schottischen Edelmann, der mit seinen Spiessgesellen auf der Flucht in die Heimat ist, weil er dem schwedischen König Johan untreu geworden ist: «Elsalill sass still da und lauschte gebannt Sir Archies Rede. Jedes Wort aus seinem Mund machte sie glücklich», schreibt Lagerlöf.
Der Leser ahnt gleich, dass sich hinter dem charmanten Sir Archie der Mörder von Elsalills Familie versteckt. Auch das Mädchen kommt ihm auf die Schliche, erwägt aber dennoch, mit ihm nach Schottland zu fliehen. Aber da erscheint ihr die namenlose Pflegeschwester und ermahnt sie, die Untat zu rächen.
Berührende Geschichte mit mystischen Elementen
Selma Lagerlöf ist zumindest der jüngeren Lesegeneration heute kaum mehr ein Begriff: Sie wuchs in einer wohlhabenden schwedischen Familie auf, liess sich zur Lehrerin ausbilden und wandte sich bald dem Schreiben zu. Der Durchbruch gelang ihr mit dem Roman «Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen».
Lagerlöf selbst blieb kinderlos, sie fand ihr Glück mit zwei Lebenspartnerinnen – zu einer Zeit, als diese Beziehungsformen noch unüblich waren. Lagerlöf verstand es mit Geschick, sich mit dem Schreiben ein gutes Auskommen zu sichern, und wurde nach der Nobelpreis-Verleihung 1909 Mitglied der Schwedischen Akademie der Wissenschaften.
Mit «Herrn Arnes Schatz» schrieb sie eine kriminalistische Erzählung, die in der Tradition des 19. Jahrhunderts steht: Sie vereinigt religiöse, mystische und moralische Ansätze zu einer stringenten Erzählung, die einem noch heute ans Herz geht.
Buch
Selma Lagerlöf
Herrn Arnes Schatz
Mit Illustrationen von Roberta Bergmann
132 Seiten
(Kunstanstifter 2019)