Wieder gelesen: Jagd nach Gerechtigkeit
Ein Thriller aus der rauen Unterwelt im Boston der 1990er-Jahre: Der Debütroman «Ein letzter Drink» des US-amerikanischen Bestseller-Autors Dennis Lehane ist in neuer Übersetzung erschienen.
Inhalt
Kulturtipp 15/2017
Babina Cathomen
Bei diesem Auftrag ist etwas faul. Das wird dem Detektiv Patrick Kenzie und seiner Partnerin Angie Gennaro ziemlich schnell klar. Drei hochrangige Politiker aus Boston haben ihnen einen Fall übertragen, der leicht verdientes Geld verspricht. Sie sollen streng vertrauliche Dokumente des Senators Paulson wiederfinden, welche die Putzfrau Jenna entwendet hat. Die untergetauchte Putzfrau ist schnell gefunden. Aber rasch wird klar, dass es sich bei den Dokumenten keineswegs um Gesetzesentw&uu...
Bei diesem Auftrag ist etwas faul. Das wird dem Detektiv Patrick Kenzie und seiner Partnerin Angie Gennaro ziemlich schnell klar. Drei hochrangige Politiker aus Boston haben ihnen einen Fall übertragen, der leicht verdientes Geld verspricht. Sie sollen streng vertrauliche Dokumente des Senators Paulson wiederfinden, welche die Putzfrau Jenna entwendet hat. Die untergetauchte Putzfrau ist schnell gefunden. Aber rasch wird klar, dass es sich bei den Dokumenten keineswegs um Gesetzesentwürfe handelt, sondern um kompromittierende Fotos, die den Senator in einer eindeutigen Pose mit einem Knaben zeigen. Jenna will bloss eins: Gerechtigkeit.
Mit filmreifen Szenen
Und so hart und sarkastisch sich der Ich-Erzähler Patrick Kenzie auch gibt, das Herz hat er am rechten Fleck. Die Kinderschänder sollen bestraft werden, auch wenn er sich damit gegen seine Auftraggeber aus hohen Kreisen wendet. Doch dann wird Jenna auf offener Strasse erschossen. Und das unzimperliche, mit allen Waffen ausgestattete Detektivduo befindet sich bald zwischen verschiedenen Fronten: Politiker, die Polizei und konkurrenzierende Banden aus dem Bostoner Stadtteil Dorchester sind hinter ihnen her.
Dennis Lehanes Szenenbeschreibungen sind filmreif. Nicht umsonst wurden seine Weltbesteller «Mystic River» und «Shutter Island» sowie weitere Werke von Star-Regisseuren wie Clint Eastwood und Martin Scorsese verfilmt. Auch in seinem Debütroman «Ein letzter Drink» von 1994 kann man sich die meist blutig endenden Action-Szenen bildlich vorstellen. Lehanes Tonfall ist witzig-salopp: In seiner rauen Sprache äussert der 52-jährige Autor, der selbst in Dorchester aufgewachsen ist, aber auch Sozialkritik. Er thematisiert etwa die Schere zwischen Arm und Reich, Schwarz und Weiss oder den grassierenden Rassismus auf beiden Seiten. Seine Schilderungen aus den 1990er-Jahren lesen sich manchmal gar als unheimlicher Vorbote auf die Trump-Ära.
Auftakt zu sechs Neuübersetzungen
Spannung verspricht nicht nur die Jagd nach Gerechtigkeit, sondern auch das Verhältnis zwischen den Detektiv-Partnern. Die beiden kennen sich aus Kindheitstagen und gehen füreinander durchs Feuer. Besonders Patrick würde sich aber mehr als eine Freundschaft mit der attraktiven und toughen Angie wünschen und macht ihr – mal mehr, mal minder originell – den Hof. Die schlagfertige Detektivin ist allerdings mit einem prügelnden Mann verheiratet, dem sie unverständlich lange die Treue hält.
«Ein letzter Drink» hat den Auftakt zu den Neuübersetzungen aller sechs Kenzie & Gennaro-Fälle gemacht. Vor kurzem ist bereits der zweite Fall, «Dunkelheit, nimm meine Hand», bei Diogenes erschienen.
Buch
Dennis Lehane
«Ein letzter Drink»
Dt. Erstausgabe: 1999
In neuer Übersetzung von Steffen Jacobs bei Diogenes erhältlich.