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Klassiker erkennt man daran, dass sie nie veralten. Diese professorale Kurzdefinition trifft auch auf Werke zu, die stilistischen Grünspan angesetzt haben wie «Das Fähnlein der sieben Aufrechten». Gottfried Kellers Novelle von 1861 liest sich als altertümliche Kalendergeschichte, thematisiert aber die politischen Grundlagen der modernen Schweiz.
Dies mit kritischem Ansatz: Keller (1819–1890) sagte nämlich dem damals staatstragenden Freisinn, der die Bundesverfassung von 1848 verantwortete und dem er sehr zugetan war, eine problematische Zukunft voraus. «Es wird eine Zeit kommen», schrieb er, «wo in unserem Lande, wie anderwärts, sich grosse Massen Geldes zusammenhängen, ohne auf tüchtige Weise erarbeitet und erspart worden zu sein …» Dieses Zitat veranlasste den 2014 verstorbenen Autor Urs Widmer, eine Neuausgabe von Kellers «Fähnlein» 1989 mit einem interpretierenden Essay einzuleiten. Er las Kellers Text als Prophezeiung und fragte sich: «Was hätte er gesagt, sähe er den Freisinn von heute und die heutige Schweiz?»
Dieser Frage geht nun – wiederum gut 25 Jahre später – Guy Krneta nach. Der Berner Autor (52) schreibt Kellers Novelle gleichsam weiter mit Bezügen auf Urs Widmers Gedanken. Krneta erzählt, was aus der bei Keller vorkommenden Zeitung «Schweizerischer Republikaner» geworden ist: nichts anderes nämlich als ein Spekulationsobjekt just solcher Freisinniger, denen die «grossen Massen Geldes» den Kopf verdrehen.
Alle drei Texte erscheinen in einem Sammelband, den Verleger Andreas Simmen im Vorwort als «literarische Schweizer Geschichte in drei Stücken aus drei Jahrhunderten» bezeichnet.
Keller, Widmer, Krneta
«Dann wird es sich zeigen, ob der Faden und die Farbe gut sind an unserem Fahnentuch»
(Rotpunkt Verlag 2015).
Erstausgabe von Kellers
«Fähnlein»: 1861.
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