Wieder gelesen Fantasien von der Freiheit
Die Erzählungen der US- amerikanischen Dichterin Sylvia Plath sind zu <br />
ihrem 50. Todestag neu aufgelegt worden.
Inhalt
Kulturtipp 07/2013
Babina Cathomen
Träumerisch-romantisch beginnt die Erzählung «Ein Tag im Juni», die vom ersten Flirt eines Mädchens handelt. Doch unter der schönen Oberfläche lauert bei Sylvia Plath stets ein Abgrund. Die prickelnde Annäherung endet mit einer Enttäuschung, der Nachmittag «zerspringt in Millionen Glassplitter».
Im Mittelpunkt von Plaths Erzählungen aus den 50ern und 60ern stehen meist Frauen; oft sind sie mit ihrer Rolle als dienende H...
Träumerisch-romantisch beginnt die Erzählung «Ein Tag im Juni», die vom ersten Flirt eines Mädchens handelt. Doch unter der schönen Oberfläche lauert bei Sylvia Plath stets ein Abgrund. Die prickelnde Annäherung endet mit einer Enttäuschung, der Nachmittag «zerspringt in Millionen Glassplitter».
Im Mittelpunkt von Plaths Erzählungen aus den 50ern und 60ern stehen meist Frauen; oft sind sie mit ihrer Rolle als dienende Hausfrau unzufrieden. In der Erzählung «Sonntag bei den Mintons» wünscht sich die Protagonistin etwa, ihr herrschsüchtiger Bruder möge von der Meeresbrandung verschluckt werden, während der Wind sie in ihrem lavendelfarbenen Kleid über die Wellen zu den Wolken hinaufträgt. Die Fantasie von der Freiheit bleibt freilich nur ein Traum.
Die 1932 in Boston geborene Autorin hatte ein kurzes, heftiges Leben. Während ihres Studiums lernte sie den englischen Dichter Ted Hughes kennen, den sie kurz darauf heiratete. Doch geplagt von Depressionen, Selbstzweifeln und den hohen Ansprüchen an sich selbst, fand sie sich immer im Schatten
ihres Mannes wieder. Mehrmals musste sie in psychiatrische Behandlung.
Von dieser Erfahrung zeugt etwa ihre Erzählung «Zungen aus Stein» über ein Mädchen in einer Nervenheilanstalt. Der romantisch-melancholische Ton fällt hier weg, es bleibt das kalte Grauen: Der Selbsthass des Mädchens, das sogar ein Insekt beneidet, «weil dieses anscheinend einen schöpferischen Platz in der Sonne hatte, während sie nur wie ein Gallapfel auf der Erdoberfläche lag». Auch Sylvia Plath fand keine Ruhe: Nach der Geburt ihrer zwei Kinder und der Trennung von ihrem Mann sah sie mit 30 Jahren nur noch den Selbstmord durch den Gasbackofen als Lösung.
Die Frankfurter Verlagsanstalt bringt nun in einer Neuauflage die beiden Bände «Die Bibel der Träume» und «Zungen aus Stein» heraus. Nicht alle Erzählungen sind gleichermassen eindringlich. Aber sie zeigen die Sprachkraft einer zweifelnden Schriftstellerin, deren Gedichte und Prosa-Werke erst postum weitherum Anklang fanden.
[Buch]
Sylvia Plath
«Zungen aus Stein»
266 Seiten
Deutsche
Erstausgabe: 1994
Heute erhältlich
bei Frankfurter
Verlagsanstalt.
[/Buch]