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Immer wieder diese düstere Szene: Zwei sich kreuzende Züge in einem Tunnel, daraufhin der Schnitt zu Friedrich Dürrenmatt, der rauchend in einem ratternden Güterwagen steht. Sabine Gisigers neuer Dokfilm lebt von solcherlei Collagen. Um die Liebes- und Leidensgeschichte des Schriftstellers Dürrenmatt (1921–1990) mit seiner ersten Frau Lotti zu erzählen, hat die Zürcher Filmemacherin tief in den Bildarchiven gegraben.
Die Zug-Szenen dürften eine Reverenz sein an Dürrenmatts Kurzgeschichte «Der Tunnel», 1952 im Sammelband «Die Stadt» erschienen. Darin fährt ein junger Student von Bern nach Zürich wie fast jede Woche. Der Zug taucht ein in den kurzen Burgdorfer Tunnel – und findet nicht mehr ans Tageslicht zurück. Nach zehn Minuten dunkler Fahrt wird der Student unruhig und fragt Mitreisende sowie den Kondukteur nach der Ursache der ungewohnt langen Tunnelfahrt. Einzig der Zugführer scheint zu ahnen, was sich anbahnt: «Wir fahren abwärts.»
Obwohl knapp 20 Seiten kurz, ist «Der Tunnel» zu einem der bekanntesten Texte Dürrenmatts geworden, weil er dessen Weltsicht auf den Punkt bringt. Der lebensfroh wirkende Berner war im Innersten ein Fatalist, der das Leben als Weg hin zur finalen Katastrophe Tod sah. Am Ende seiner Tunnelfahrt steht ein mächtiges, weil effektvoll gesetztes «Nichts».
Friedrich Dürrenmatt schrieb den «Tunnel» mit jugendlichen 31 Jahren. Seinem offensichtlich früh entwickelten Nihilismus konnte er ein erstaunlich schaffensfrohes Leben abgewinnen. In eine schwere Krise stürzte ihn erst der Tod seiner Frau Lotti 1983. Davon berichtet Sabine Gisigers Film. Und davon, wie sich Dürrenmatt kurz darauf erholte und eine zweite Lotti fand.
Buch
Friedrich Dürrenmatt
Der Tunnel
Erstausgabe: 1952
Heute erhältlich bei Diogenes.
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