Dieses bewegte Leben hat viel Schreibstoff geboten: Als 7-Jährige ist Mascha Kaléko (1907–1975) mit ihren jüdischen Eltern aus Furcht vor Pogromen in Galizien ins Exil in den Westen geflohen. Sie hat sich Ende der 20er-Jahre in Berlin vom orthodoxen Elternhaus befreit und  sich an ersten Gedichten versucht. Der Kommentar des Vaters: «Das hat noch gefehlt.» Ein Studium für seine Tochter lehnt er ebenso ab. Doch Mascha lässt sich nicht mehr einengen, geniesst die neue Freiheit in den Künstlercafés der Bohème – inmitten ihrer vielen Verehrer. 

«Die Andern sind das weite Meer. / Du aber bist der Hafen», schreibt sie 1934 in einem Gedicht über ihren ersten Ehemann. Es kommt anders: Sie verliebt sich Hals über Kopf in den jüdischen Komponisten Chemjo Vinaver, führt ein Doppelleben. Als ein Kind des Geliebten unterwegs ist, widersetzt sich ihr erster Gatte einer Scheidung. Erst 1938 willigt er ein, Mascha heiratet wenige Tage später und flieht mit ihrem zweiten Mann vor den Nationalsozialisten, die ihre Bücher verboten hatten, nach New York. 1959 folgt sie ihrem Mann nach Jerusalem, wo sie aber nie heimisch wird. Als ihr 31-jähriger Sohn 1968 überraschend stirbt, steht das Paar unter Schock. Fünf Jahre später stirbt ihr Mann. «Was immer mag geschehen, / Ein Fremdling ich hier bin: / Herr, lass mich mit ihm gehen / Ins Allwohin.», schreibt sie im Gedicht «Am Krankenbett». Die schwer erkrankte Mascha folgt ihrem Mann ein Jahr später in den Tod.

In dem kleinen, in Leinen gebundenen Band «Liebesgedichte», in dem leider die genauen Jahreszahlen der Gedichte fehlen, ist Lyrik aus 50 Schaffensjahren versammelt, darunter  Liebeslyrik in bester, altmodisch romantischer Manier. Nebst dem melancholisch-wehmütigen Unterton scheint in andern Versen aber auch Kalékos spöttischer Humor durch. In den letzten Jahren überwiegen allerdings die Gedichte über den tiefen Schmerz, dass der Geliebte für immer gegangen ist. «Zur Heimat erkor ich mir die Liebe», schreibt sie kurz vor ihrem Tod als Lebensbilanz.

Buch
Mascha Kaléko
«Liebesgedichte»
112 Seiten
(dtv 2015).