Was ist denn eine gute Partie? «Ich kenne keinen Menschen, der so vernünftig ist, der so verständig ist, der das Herz so sehr auf dem rechten Fleck hat wie Robert Martin.» Doch der in diesen Tönen Gepriesene fällt als Bauernsohn im Urteil der jungen Dame Emma Woodhouse durch. Er kommt als Galan für ihre Freundin Harriet nicht infrage, geschweige denn für Emma selbst. Denn die Frauen, so die unterschwellige Botschaft, können sehr gut ohne Männer leben. Es sei denn, es biete sich gerade ein besonders tolles Exemplar des anderen Geschlechts an.
Eine Frau nimmt die Zügel in die Hand
Diese Emma steht im Mittelpunkt des gleichnamigen Romans der englischen Autorin Jane Austen (1775–1815). Die Pfarrerstochter schrieb «Emma», kurz bevor sie an Tuberkulose erkrankte und verstarb. Die Geschichte von der amourösen Strippenzieherin in den patriarchalischen Strukturen des frühen 19. Jahrhunderts kommt nun in einer Filmproduktion ins Kino, die der Regency-Zeit in England nachempfunden ist. Sie spielt im ländlichen Südengland, in einem Dorf, wo das aufstrebende Bürgertum das Leben prägt.
Emma ist von gesellschaftlichem Dünkel beseelt. Vor allem aber ist sie in ihrem ungebrochenen Selbstbewusstsein überzeugt, sich in das Leben anderer einmischen zu müssen. Oder, in einer moderneren Lesart: Emma Woodhouse nimmt die Zügel in ihrem gesellschaftlichen Kreis in die Hand. Denn wenn Frauen nicht Entscheidungen treffen, tun dies die Männer für sie, aber in ihrem eigenen Interesse. Emma spielt die Rolle der klassischen Intrigantin und versucht sich immer wieder als Kupplerin, wenn sie eine Liaison für angezeigt hält.
Nach und nach erfasst sie, dass die Menschen über ihr Liebesleben selbst entscheiden wollen. Für diese Selbsterkenntnis wird sie zum Schluss mit einem Heiratsantrag belohnt. Mr. Knightley, ein liebenswürdiger, gebildeter junger Mann, ist der Mutige: «In der schlichten, ungezierten Sprache des Ehrenmanns (…) fragt er, wie er um ihre Hand anhalten könne, ohne ihren Vater unglücklich zu machen.» Nach einer Weile des Nachdenkens willigt Emma ein. Selbstredend finden auch Harriet und Robert Martin zusammen; praktischerweise auch ein drittes Paar.
Wem das alles emotional etwas überladen erscheint, mag recht haben. Schön zu lesen sind diese verwobenen Liebesgeschichten allemal. Austen versagt es sich und der Leserschaft indes, die Handlung schnell voranzutreiben; sie zieht vielmehr romantische Schlaufen mit Sehnsüchten vor. Handfeste Liebesszenen fehlen. Wenn Austen bei einer Frau von der «Figur» schreibt, ist dies der Höhepunkt der Anzüglichkeit. «Emma» hatte es bei der Leserschaft stets schwerer als ihre früheren Romane wie «Stolz und Vorurteil» mit dem erotisch aufgeladenen Helden Darcy.
Jane Austen selbst blieb zeitlebens unverheiratet, eine heftige Romanze ist verbürgt. Einen späteren Heiratsantrag eines anderen nahm sie zuerst an, lehnte ihn indes nach einer schlaflosen Nacht wieder ab. Die Schriftstellerin lebte nach dem Tod ihres Vaters lange in misslichen Verhältnissen. Erst mit der Publikation von «Verstand und Gefühl» 1811 konnte sie genügend Geld verdienen, um ein standesgemässes Leben zu führen.
Film
Emma
Regie: Autumn de Wilde
Ab Do, 5.3., im Kino
Buch
Jane Austen
Emma
Deutsche Erstausgabe: 1939
Heute erhältlich im Fischer Verlag