Mit diesen Worten packt einer seine Leser: «So ging es immer weiter wie in einer grimmigen nordischen Legende, ein Spiel um das eigene Leben gegen eine menschfressende Hexe in einer düsteren, unheimlichen Höhle am Grund eines Fjords.» Patrick Leigh Fermor (1915–2011), kurz «Paddy», beschreibt keine Gruselepisode aus einem Fantasy-Roman. Er erzählt von der Visite auf dem noblen Anwesen der 16. Baroness Wentworth in Südengland im Frühjahr 1954. Die betagte Lady beharrte darauf, dass sich jeder Besucher von ihr im Billardspiel besiegen liess, und zwar nicht einmal, sondern einen halben Tag lang – Mal um Mal.
Kostgänger mit chaotischem Leben
Den Besuch bei der exzentrischen Baroness beschrieb Fermor in einem Brief an die Diplomatengattin Lady Diana Cooper, mit der ihn eine Seelenverwandtschaft verband. Fermor war ein begnadeter Briefschreiber und erzählte Freunden in zahlreichen Episteln von seinen Abenteuern. Diese sind nun in einem Band unter dem Titel «Flugs in die Post!» in einer Zusammenfassung auf Deutsch erschienen.
«Paddy» Fermor machte sich im Zweiten Weltkrieg einen Namen mit der Entführung des deutschen Befehlshabers auf der von der Wehrmacht besetzten Insel Kreta. In gestohlener Uniform lockte Fermor mit seinen Agenten im Frühjahr 1944 Generalmajor Heinrich Kreipe in eine Falle. Der gefangene Deutsche wurde mit einem Boot aus Kreta in ein Kriegsgefangenenlager nach England geschmuggelt. Fermor war damals für die «Special Operations Executive» tätig, eine britische Einheit, die hinter den Frontlinien im Feindesland agierte. Er schrieb darüber ein Buch unter dem Titel «Die Entführung des Generals».
Die Arbeit als Geheimdienstler war eine der wenigen «geregelten» Tätigkeiten, denen er in seinem Leben nachging. Daneben reiste er viel, schrieb noch mehr und hatte immer seine liebe Mühe mit dem Geld: «Er führte selbst für einen Schriftsteller ein chaotisches Leben», heisst es in der Einführung zur Briefsammlung. Er wechselte seinen Wohnsitz laufend und war stets froh, irgendwo als Kostgänger unterzukommen.
Einen Haudegen dieses Kalibers kann nichts erschüttern, sollte man meinen. Stimmt aber nicht, wenn man seinen Briefen glauben darf. So erschienen Fermor die Mühen des klösterlichen Lebens beschwerlicher als militärische Strapazen. Ausführlich beschreibt er die Torturen, denen sich ein ehemaliger Kampfpilot bei den Benediktinern in der Bretagne unterzogen hatte: «Es war nicht das Jahr Schweigen, das ihm so zugesetzt hat, sondern die Knochenarbeit auf den Feldern, Karotten ernten, Steine klopfen, Rüben lesen, ein Sträflingsleben ohne einen einzigen Augenblick für sich allein und mit Klosterregeln aus dem finsteren Mittelalter … er scheint mit den Nerven am Ende, irrer Blick, schrundige Hände, abgebrochene Fingernägel…» Ein solches Dasein schreckte den tapferen «Paddy» Fermor mehr als aller Todesmut, den er hinter Feindeslinien aufbringen musste.
Bücher
Patrick Leigh Fermor
Flugs in die Post! Ein abenteuerliches Leben in Briefen
704 Seiten
(Dörlemann 2020)
Patrick Leigh Fermor
Die Entführung des Generals
315 Seiten
(Dörlemann 2015)