Im Sommer ist das Haus kalt, in den anderen Jahreszeiten eisig. Die Beschreibung eines Anwesens in der südenglischen Grafschaft Sussex ist eine Metapher auf die noble Familie Cazalet, die sich hier alljährlich zum Urlaub trifft. Das Landhaus ist die Bühne für die Familiengeschichte «The Cazalet Chronicles» der englischen Schriftstellerin Elizabeth Jane Howard (1923–2014). Unter dem Titel «Die Jahre der Leichtigkeit» ist soeben der erste der fünf Cazalet-Romane neu übersetzt erschienen.
Die Romane aus den 1980ern decken den Zeitraum von 1938 bis in die Nachkriegsjahre ab. Sie spielen allesamt in London und auf dem Landsitz in Sussex, welcher der Cazalet-Familie als Kulisse für ihr Leben, ihre Sorgen und Nöte dient. Dabei geht es in den ersten Jahren – vor dem Niedergang – nicht um materielle Engpässe: Der Clan ist reich, oft gelangweilt und findet Erfüllung darin, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen.
Im Mittelpunkt stehen drei verheiratete Brüder: Der im Ersten Weltkrieg schwer verwundete Hugh, der so erfolgreiche wie untreue Edward, sowie Rupert. Er ist mit der exaltierten Zoë verheiratet, die in ihrer Selbstbezogenheit die ganze Familie zum Wahnsinn treibt. Dieser Gruppe steht die unverheiratete Schwester bei: Die gutmütige Rachel will es allen recht machen, kann aber nicht zu ihrer geheimen Liebe – eine Frau – stehen.
Schicksal einer Klasse im Niedergang
Die heute auf dem Kontinent nahezu vergessene Schriftstellerin Elizabeth Jane Howard hat eine Romanserie geschrieben, die dem Publikum der TV-Serie «Downton Abbey» bekannt vorkommt. Ähnlich wie die erfolgreiche Fernsehproduktion sind die «Cazalet Chronicles» mehr als eine reine Gesellschaftssatire. Howard will das Schicksal einer niedergehenden Klasse vor dem aufziehenden Krieg in Europa vermitteln, sinnbildlich für das Ende des britischen Empires: «Ich wollte zeigen, wie die weltpolitischen Ereignisse das Leben einer Familie prägen», sagte sie zu ihren «Chronicles». Diese wurden 2001 von der BBC als sechsteilige TV-Serie adaptiert.
Immer wieder kommt die Rede auf den Nationalsozialismus. Der vom Ersten Weltkrieg traumatisierte Hugh warnt vergeblich vor der deutschen Aufrüstung, während sein Bruder Edward die politische Entwicklung auf die leichte Schulter nimmt. Aber selbst die Kinder erkennen die Bedrohung, wie etwa Hughs kleine Tochter Polly: «Sie fürchtete sich davor, dass wieder ein Krieg ausbrechen könnte, und sie alle vergast würden, allen voran ihr Kater Pompey, der als Katze kaum eine Gasmaske bekommen würde.»
Elizabeth Jane Howard führte selbst ein aufregendes Leben. Sie war drei Mal verheiratet, am längsten mit dem Schriftsteller Kingsley Amis. Daneben gibt es eine illustre Liste von Gentlemen, mit denen sie «romantically linked» war, darunter der Philosoph Arthur Koestler. Aber sie genoss auch die Bewunderung von Frauen, zum Beispiel der Erfolgsautorin Hilary Mantel, die über sie schrieb: «Ihre Romane sind das Ergebnis der langen Erfahrung einer Schriftstellerin, die über die Fähigkeiten verfügt, sie literarisch umzusetzen.»
Buch
Elizabeth Jane Howard
Die Jahre der Leichtigkeit
Deutsche Erstausgabe: 1994
(dtv 2018)