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«Zürich, 18. Mai. Ich datiere. Von nun an zählt jeder Tag.» Derart nüchtern und protokollarisch beginnt Anne Cuneos Buch «Eine Messerspitze Blau», das sie weder als Roman noch Erzählung bezeichnete, sondern als Chronik. Damit traf die Autorin stilistisch den Nerv einer Literatur, die in Zeiten von Wirtschaftskrise und Zukunftsangst auf Subjektivität und Selbstanalyse setzte. «Une cuillerée de bleu» ist 1979 erschienen und hat die Autorin und TV-Journalistin aus Lausanne berühmt gemacht. Im selben Jahr wurde sie mit dem Grossen Preis der Schweizerischen Schillerstiftung ausgezeichnet, kurz darauf erschien die deutsche Übersetzung ihrer Chronik im Zürcher Limmat Verlag.
Tragischer Hintergrund
Cuneos Durchbruch hatte einen tragischen biografischen Hintergrund. Die «Chronik» war nichts anderes als die literarische Verarbeitung ihrer Krebserkrankung. Eine verzweifelte Klage und wutentbrannte Abrechnung, mit der sich die linke Feministin gegen eine Gesellschaft wandte, deren sozialpolitische und ökologische Brandherde sie als Krebsverursacher empfand.
Die Subjektivierung gesellschaftlicher Missstände war ein Markenzeichen von Anne Cuneo. Sie ist 1936 in Paris als Tochter italienischer Einwanderer geboren, in Mailand aufgewachsen und wurde mit 14 als Halbwaise in ein katholisches Internat in Lausanne platziert. Nach ihrem Sprach- und Geschichtsstudium arbeitete Cuneo als Lehrerin und wandte sich dann Journalismus und Literatur zu. Später realisierte sie Dokumentarfilme und Theaterstücke, schrieb Essays, Krimis und historische Romane und pendelte zwischen Genf und Zürich. Ihr Werk ist gross – Zeit, die engagierte Autorin wiederzulesen.
Anne Cuneo
«Eine Messerspitze Blau»
Deutsche Erstausgabe: 1982
Heute erhältlich als Ullstein-Taschenbuch.
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