Schwingt sich das Lachen über Hierarchien, triumphiert die Belustigung über die Wirklichkeit. Wie der Ausspruch eines Todeskandidaten, kurz vor seiner Hinrichtung: «Na, diese Woche fängt es gut an!» Galgenhumor als Gegenstück zu Angst, Not und Verzweiflung.
Der Franzose André Breton versammelte 1939 in seiner Anthologie Beiträge von 45 Autoren. Massgeblich für die Auswahl waren surrealistische Gesichtspunkte.
Die Satire erlaubt es, sich Makaberem unerschrocken zu nähern: Dem Armen ergeht es wie einem Stück Seife: «Ich werde immer weniger.» Absurd wird es da, wo der Elefant sich in einen Millimeter verliebt, die Dialektik eine Waffe bezwingt (ein Messer ohne Klinge, dem der Griff fehlt) oder ein Unglückseliger in seiner Einsamkeit beschreibt, wie man auf 62 Arten den Kopf mit der Hand stützen kann. Überboten nur von dem mittellosen Schüchternen, der seine letzte Delikatesse verspeist: Er faltete sie, er spaltete sie, er legte sie hin, er schnitt sie dünn, er wusch sie fein, er warf sie rein, er briet sie weich, er ass sie gleich. Als er klein war, hatte man ihm gesagt: «Wenn du Hunger hast, iss deine Hand!»
André Breton war Dichter, Schriftsteller und der wichtigste Theoretiker des Surrealismus; sein ganzes Leben war an diese Bewegung gekoppelt. Er stellte seine Anthologie 1939 zusammen; sie erschien im Juni 1940, wurde aber mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht gleich verboten.
Breton begriff den kritischen, den schwarzen Humor als eine Kunstform, deren wahre Initiatoren Swift und der Marquis de Sade gewesen seien. In seiner Sicht haben die Überempfindlichen, die Ruhelosen mit dem wachen Gewissen ihr Denken in die Lockform des schwarzen Humors gebracht.
André Breton
«Anthologie des schwarzen Humors»
Deutsche Erstausgabe: 1971
Heute erhältlich bei Rogner & Bernhard.