Er sah aus wie ein zotteliger Bär und klang mit seiner Brummstimme dementsprechend: Harry Rowohlt, der Hamburger Übersetzer, Kolumnist und Vorlesekünstler, der vielen in der Rolle als Penner in der Kultserie «Lindenstrasse» bekannt war. «Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand», nannte er seine Kolumnen «Pooh’s Corner» selbstironisch – angelehnt an den Kinderbuchklassiker «Puh der Bär», den er selbst mit Verve übersetzt und auf Hörbüchern eingesprochen hatte.
 
In seinen Kolumnen, die er zwischen 1989 und 2013 für «Die Zeit» schrieb, sprüht er vor Witz und Einfallsreichtum. Rowohlt schwadroniert geistreich, zum Brüllen komisch, sich in Nebensätzen verfangend oder kunstvoll die Wörter verdrehend, bis sie einen neuen Sinn ergeben. Er erzählt Anekdoten und berichtet von Beobachtungen aus seinem Alltag, knurrende Statements zur Welt. Beliebt sind auch Klatsch und Tratsch aus der von Marotten geprägten Schriftsteller- und Verlagsszene, an denen vor allem Insider ihre Freude haben. Ein Namensregister im Anhang führt gleich zu den entsprechenden Stellen. In den knappen Buchkritiken macht er manchmal kurzen Prozess: «In dem ganzen unfassbar grauenvollen Buch ist ein einziger schöner Satz», schreibt er etwa zu Mathias Noltes Roman «Grosskotz». Der präferierte Satz: «Er lachte wie ein Maikäfer.»

Der Verlag Zweitausendeins verpackt Rowohlts funkelnde Kurztexte  in zwei schön gestaltete Leinenbände. Am besten zur Geltung kommen seine Überlegungen aber in der typisch rowohltschen Bären-Performance. Live hören kann man ihn nicht mehr, der fantasievolle Sprachspieler ist letztes Jahr nach langer Krankheit verstummt. Glücklicherweise gibt es zahlreiche Hörbücher – auch mit «Zeit»-Kolumnen, auf denen er seine Weisheiten weiterhin zum Besten gibt.     

Buch
Harry Rowohlt
«Pooh’s Corner»
2 Bände, 
971 Seiten
(Zweitausendeins 2015).