Es gibt Musik, die mit der Zeit ihre Aktualität verliert, nicht aber ihre Originalität. Die beim Wiederhören aufwühlt und bewegt, obwohl ihre Ästhetik patiniert klingt. So wird es manchen ergehen, die heute Barbara Thompsons Jazzrock aus den 70er- und 80er-Jahren hören. An Brisanz und Strahlkraft hat der opulente Sound der Saxofonistin und ihrer Band Paraphernalia freilich kaum eingebüsst.

Als die klassisch studierte Flötistin zum Jazzsax griff und ihre polyfonen Inspirationen zur ­eigenen Klangsprache bündelte, galt Thompson als Pionierin. Jazz war damals Männersache, Jazzrock ohnehin. Gerade das Saxofon galt als Inbegriff des maskulinen (und machistischen) Instruments. Thompson scherte sich nicht um solche Konventionen und blies mit luftigem Schneid ihre komplexen Suiten, die nicht nur Jazz und Rock fusionierten, sondern auch Klassik und Funk. Diese lebten und bebten von den sphärischen ­Fugen ihres Keyboarders Peter Lemer und dem gewittrigen Schlagzeug ihres Ehemannes Jon Hiseman, vom rauen Schmelz wechselnder Cellisten und Violinisten oder den funky Grooves der E-Bassisten.

Barbara Thompson, die auch mit verschiedensten Kollegen wie Pop-Urgestein Manfred Mann, Avantgardistin Kate Westbrook oder Musical-Ikone Andrew Lloyd Webber arbeitete, wurde mit Paraphernalia international bekannt. 1997 dann der Schicksalsschlag: Sie erkrankte an Parkinson und musste sich aufs Komponieren beschränken. Doch dank verschiedener Therapien und Medikamente kehrte sie 2003 auf die Bühne zurück. Ihre zahlreichen Platten sind nur mehr spärlich lieferbar, die 2005 erschienene Compilation «Chapter And Verse» versammelt aber die besten ihrer Stücke.

Demnächst wird Barbara Thompson 75. Über ihre guten und schlechten Zeiten spricht Jazzredaktor Jodok Hess in der «Jazz Collection» auf Radio SRF 2 Kultur mit dem Zürcher Saxofonisten und Musikwissenschafter Bardia Charaf.

Radio
Di, 23.7., 21.00 SRF 2 Kultur

CD
Barbara Thompson
Chapter And Verse
(Intuition 2005)