Wieder gehört: Tauchgänge nach versunkenen Klängen
Zu Lebzeiten als Dilettant verspottet, wird Giacinto Scelsi heute mit Interesse entschlüsselt. Ein Wiederhören oder Entdecken des rätselhaften Italieners lohnt sich.
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Kulturtipp 02/2019
Frank von Niederhäusern
Zum 6. Mal treffen sich in Basel Musikforscher und ein interessiertes Publikum zum Scelsi Festival. Auch 31 Jahre nach seinem Tod gibt Giacinto Scelsi Rätsel auf, die es zu entschlüsseln gilt. In seinem langen Leben hat der Italiener (1905–1988) ein vielfältiges Werk geschaffen, das noch heute wie Zukunftsmusik klingt.
Ob Orchestersuiten oder Chormusik, Streichquartette oder Klaviersonaten: Giacinto Scelsis Klänge sind am ehesten mit «transzendental&r...
Zum 6. Mal treffen sich in Basel Musikforscher und ein interessiertes Publikum zum Scelsi Festival. Auch 31 Jahre nach seinem Tod gibt Giacinto Scelsi Rätsel auf, die es zu entschlüsseln gilt. In seinem langen Leben hat der Italiener (1905–1988) ein vielfältiges Werk geschaffen, das noch heute wie Zukunftsmusik klingt.
Ob Orchestersuiten oder Chormusik, Streichquartette oder Klaviersonaten: Giacinto Scelsis Klänge sind am ehesten mit «transzendental» zu umschreiben. Es sind mikrotonal schwebende und in einem überirdischen Wind flatternde Soundteppiche, die aus einer Welt jenseits bekannter Formen und Weisen erklingen. Komponiert hat Scelsi seine Musik improvisierend am Klavier oder an der Ondioline, einer Vorform des Synthesizers. Wobei er die Tätigkeit des «Komponierens» stets negierte. Scelsi betonte, dass er seine Musik nicht kreiere, sondern empfange.
Seine Impro-Séancen nahm er auf Tonband auf und liess die Aufnahmen von Freunden transkribieren. Er sah sich als Medium, das ewige Musik zum Ausdruck bringe. Seine Tauchgänge nach versunkenen Klängen führte ihn zurück bis ins Jahr 2637 vor Christus. Damals sei er geboren und mithin eine wandernde Seele. Aufgrund solcher Aussagen und seiner rätselhaften Musik wurde Scelsi zu Lebzeiten als Dilettant oder gar Scharlatan verlacht. Alle Welt aber staunte, als der Italiener, der seinen Tod für einen «Tag voller Achten» ankündigte, am 8.8.1988 starb.
Die Frage, ob Scelsi Dilettant war oder Genie, beschäftigt bis heute Musikerinnen, Komponisten und eine stetig wachsende Anhängerschaft. Wer Giacinto Scelsi nicht kennt und sich einhören will in dessen Klangwelt, findet sein Werk auf der «Scelsi Collection», die bei CD 8 angelangt ist.
Giacinto Scelsi Festival
Fr/Sa, 11.1./12.1., ab 12.00
Gare du Nord Basel
CDs
Giacinto Scelsi
Collection, Vol. 1–8 (8 CDs seit 2007)
(Stradivarius)