Das Foyer der Zürcher Tonhalle ist proppenvoll, doch der Einlass bleibt versperrt. Kurz vor dem Konzert wird dessen Absage gemeldet. Offiziell wird als Grund ein verpasstes Flugzeug in Mailand kommuniziert, doch bald macht das Gerücht die Runde, der Geigenstar habe seinen Zürcher Auftritt schlicht verpennt.

Ein solches Erlebnis bleibt haften, auch wenn es viele Jahre zurückliegt. Die Entrüstung des Publikums hielt sich übrigens in Grenzen. Denn solche Eklats gehörten damals zu Nigel Kennedy. Der 1956 in Brighton geborene Ausnahmemusiker hatte sich seinen funkelnden Namen als Rebell erspielt. Er trat in Punk-Klamotten und mit Irokesenfrisur auf, spielte aber mit den weltbesten Orchestern in den edelsten Konzerthallen.

Beswingte Werke

Weit wichtiger: Nigel Kennedy überspielte stets den Unterschied zwischen E- und U-Musik. Parallel zu seinem Klassikstudium liess er sich von Jazzgeiger Stéphane Grappelli in die Kunst der Improvisation einführen. Seine Adaptionen klassischer Werke sind entsprechend beswingt; seine bis heute gezielt geflegte Punkattitüde beschränkte sich bald auf das Äusserliche.

Kennedy, der als Wunderkind vom epochalen Geiger und Pädagogen Yehudi Menuhin betreut wurde, hat Werke von Bach über Tschaikowsky bis hin zu Bartók adaptiert. Spezielle Berühmtheit errang er mit seiner Version von Antonio Vivaldis «Vier Jahreszeiten». Die 1989 eingespielte CD ist das meistverkaufte Klassikalbum aller Zeiten. Bis heute spielt er das bekannte Barock-Werk in stets neuen Inszenierungen – etwa mit dem Orchester Palestine Strings samt Jazzquartett.

Mit knapp 60 ist Kennedy längst im Mainstream angekommen. Noch immer aber gibt es an seinen Konzerten Überraschungen zu erleben. Im Luzerner KKL spielt er sein Programm «Bach Meets Kennedy». Verpennen wird er diesen Auftritt kaum mehr.

CD
Antonio Vivaldi: The Four Seasons (EMI 1989).

Konzert
Di, 19.1., 19.30 KKL Luzern