Ein unbekannter Senior eroberte am Jazzfestival Montreux vor mehr als 30 Jahren die Herzen des Publikums. Die sinnlich-revolutionäre Melancholie seiner Musik erfasste via Radio DRS das ganze Land. «Je suis Astor Piazzolla», beendete der schüchterne Bandoneonist seinen fulminanten Auftritt, «responsable du bandoneòn – et de la musique aussi.»
Wenige Jahre später füllte Piazzolla die Zürcher Tonhalle. Doch selbst als Star blieb er der bescheidene Musiker aus Buenos Aires. Dort hatte er es vom «Hochverräter» zum Nationalhelden gebracht. Piazzolla, 1921 in Argentinien geboren und in New York aufgewachsen, begann nämlich als junger Mann, seine Liebe zum Jazz zögerlich mit Tango zu fusionieren. Da wünschten ihn aufgebrachte argentinische Traditionalisten zum Teufel. Es brauchte die Ermutigung der Avantgardistin Nadja Boulanger, um ihn von der revolutionären Kraft seiner Musik zu überzeugen. Piazzolla kehrte zum Jazz zurück, zum Tango, zu Vorbildern wie Igor Strawinsky und spielte endlich «seine» Musik, den Tango Nuevo. Der weltweite Erfolg versöhnte seine Landsleute. Als Piazzolla 1992 starb, ordnete der argentinische Staatspräsident die Bestattung des «verlorenen Sohnes» in seiner Heimaterde an.
Das Einzigartige an Piazzollas Musik ist die Verschmelzung des Tangos (Rhythmen, Zäsuren) mit Jazz (Harmonie) und Klassik (Aufbau, Form). Ähnlich wie George Gershwin oder Kurt Weill schaffte er die Verbindung zwischen Bar und Konzertbühne, zwischen Volkstanz und Oper. Nebst 300 Tangos und 50 Filmsoundtracks hat Piazzolla Suiten, Konzerte und Oratorien geschrieben. Eine breite Auswahl findet sich in einer 2004 erschienenen CD-Box.
An Piazzolla erinnert eine TV-Doku auf Arte. Sie enthält seltene Filmdokumente aus dem Familienarchiv, darunter ein unveröffentlichtes Gespräch Piazzollas mit seiner Tochter Diana.
Fernsehen
Astor Piazzolla, Tango Nuevo
Regie: Daniel Rosenfeld
F 2016, 52 Minuten
So, 3.6., 23.15 Arte
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