Was für ein Leben! Fast ein ganzes Jahrhundert lang dauerte es und war geprägt von einer Bilderbuchkarriere. Marlene Dietrich (1901–1992) schnupperte Bühnenluft schon als Teenager und wurde mit 28 zum Star. Die Rolle der Lola in Josef von Sternbergs Film «Der Blaue Engel» ebnete ihr den Weg auf die Bühnen und Leinwände dieser Welt – Hollywood inklusive. Doch gefeiert als Sängerin und Schauspielerin, als Diva, Stilikone und mutige Stimme gegen den Faschismus, zog sich die Berlinerin – nach Jahren in den USA – für die letzten elf Lebensjahre in die Einsamkeit zurück. Nach Paris, wo sie mit 91 Jahren starb.
Ein Telefongespräch verändert das Leben
Paris war der einzige Berührungspunkt Marlene Dietrichs mit Ute Lemper. Diese hatte dort 1987 im Musical «Cabaret» gesungen und war dafür mit dem Prix Molière als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet worden. Die Medien verglichen sie mit Marlene Dietrich, was Lemper peinlich war. Kurzentschlossen schrieb sie der Dietrich einen Brief, worauf die alte Dame die junge Schauspielerin anrief. Das Telefongespräch soll drei Stunden gedauert und Ute Lempers Leben verändert haben.
Schon vor ihrem Pariser Erfolg war die deutsche Sängerin mit der grossen Marlene Dietrich verglichen worden: In Wien, wo sie als Musicaldarstellerin im «Blauen Engel» brillierte. Und wie Dietrich machte sie sich einen Namen sowohl auf Musicalbühnen wie Kinoleinwänden. Und wie diese zog Ute Lemper, 1963 im westfälischen Münster geboren, in die USA, wo sie bis heute lebt.
Dieser Verbundenheit ist nun ein Album entsprungen, mit dem die international gefeierte Chanteuse und Schauspielerin ihrem verklungenen Vorbild ihre Reverenz erweist. Der Albumtitel «Rendezvous With Marlene» ist klug gewählt, denn Lemper singt zwar ausnahmslos Songs aus Dietrichs Repertoire, tut dies aber auf ihre sehr eigene Weise. Die Annäherung geschieht zurückhaltend.
So erklingen Evergreens wie «Lili Marleen» oder «Sag mir, wo die Blumen sind» sehr weichgespült und mit Streicher-Arrangements zugesülzt. Lemper zerhaucht ihre Stimme, die andernorts in fast unheimlicher Klarheit an den soliden Alt von Dietrich erinnert. Gerade dort, wo man es nicht erwarten wür-de: in Bob Dylans «Blowing In The Wind», das einem direkten Vergleich mit Dietrichs «Original» standhält. Zwar modernisiert, aber als stimmige Jazzballade hört sich Friedrich Hollaenders «Ich bin die fesche Lola» aus besagtem «Blauen Engel» an. Und in fast schon authentischer Schlichtheit kommt Dietrichs Klassiker «Ich hab noch einen Koffer in Berlin» daher.
20 Songs von Lemper oder eine Box von Dietrich
Insgesamt 20 Songs hat Ute Lemper ausgewählt, die an Marlene Dietrichs Leben und Karriere erinnern sollen. Wer sich davon animiert fühlt, die Originale wiederzuhören, kann zudem mit der 2015 erschienenen Best-of-Box eintauchen in vergangene, aber nicht verklungene Zeiten.
CDs
Ute Lemper
Rendezvous With Marlene
(Jazzhaus Records 2020)
Marlene Dietrich
Das Beste
1929–1959
4 CDs (Documents/Membran 2015)