Man kann es je nachdem als «Grande Finale» oder als grossen Schwanengesang bezeichnen: Das Album «Abbey Road» ist das Zeugnis einer Zerrüttung, vom Auseinanderfallen einer epochalen Viererbande. 1969 gab es kaum mehr Rettung. Doch noch zweimal rafften sich die vier auf. Im Januar bei den «Get Back»-Sessions spielten sie die Stücke ein, die am 8. Mai 1970 als offiziell letztes Album «Let It Be» erscheinen sollten. Bereits im April hatte Paul McCartney das Ende der Beatles verkündet.
Grosse Würfe wie «I Want You» oder «Because»
«Abbey Road» ist genau genommen das allerletzte Beatles-Album. Denn es entstand erst nach den «Let It Be»-Aufnahmen, zwischen dem 22. Februar und dem 5. August 1969. Nach seiner Veröffentlichung am 26. September hielt es sich 36 Wochen in den englischen, 31 in den US-Charts.
Es hat unter den 17 Songs grosse Würfe auf dem Album: etwa «Something», die einzige Single-A-Seite einer Komposition von George Harrison während seiner Beatles-Zeit. Sie sollte sich nach McCartneys «Yesterday» zum zweitmeist gecoverten Beatles-Stück entwickeln. John Lennon hielt «Something» für den besten Song der ganzen Platte. Für Frank Sinatra war es «der grösste Lovesong aller Zeiten».
Es gibt sie, die Belege für ein – letztes – Aufblitzen des epochalen Talents der vier, das nur in der Gruppe wirksam werden konnte. Lennons «I Want You» gehört zu den gelungenen Songs. «Das emotional Extremste, was je auf eine Beatles-Platte gepresst wurde», so der Musikkritiker Ian MacDonald in seinem Beatles-Standard-Werk «Revolution In The Head». Oder Lennons «Because»: Da liess er Yoko Ono auf dem Klavier die Akkorde von Beethovens «Mondschein»-So-nate rückwärts spielen und inspirierte sich so für seinen Song. McCartneys «Maxwell’s Silver Hammer» hält MacDonald hingegen für «die bei weitem schlimmste Geschmacksverirrung seiner Beatles-Zeit».
Während der Aufnahmen zu «Abbey Road» waren kaum mehr alle vier gemeinsam im Studio. Oder es waren mehr als vier da, wenn Yoko Ono Präsenz markierte. Einmal bediente sie sich ungefragt von Harrisons Schokokeksen, was er aus dem Regieraum mit einem «that bitch!» quittierte.
Viermal über den Zebrastreifen – das wars
Lennon formulierte einmal den Wunsch, dass seine sechs Songs auf die eine Albumseite kämen, McCartneys acht auf die andere. So weit kam es nicht. Aber die B-Seite der Langspielplatte ist eine Ansammlung von halbfertigen Songs, die je zu zweit als Medley aneinandergehängt wurden. «Abbey Road» hätte ursprünglich «Everest» heissen sollen. Für das Albumcover wollte man die Beatles im Himalaja ablichten. Aber sie waren zu unmotiviert und schafften es gerade mal vor die Tür der Londoner Studios, um dort am 8. August morgens um 10 Uhr viermal über den Zebrastreifen zu gehen – von links nach rechts, ihrem definitiven Ende entgegen.
Musiktheater
Tribute To The Beatles: Abbey Road
Aufführungen bis Sa, 7.12.
Theater Rigiblick Zürich
www.theater-rigiblick.ch
CD
The Beatles
Abbey Road
Original: 1969
(Remastered, Apple 2009), diverse 50th-Anniversary-
Editionen 2019