Hartmannswillerkopf im Elsass: Hier streifte der Erste Weltkrieg 1915 die Schweiz. Um diese knapp 1000 Meter hohen Hügel in den Vogesen kämpften die deutschen und die französischen Truppenverbände ein Jahr lang unerbittlich. Der junge Basler Künstler Niklaus Stoecklin (1896–1982) gedachte 1919 unmittelbar nach dem Krieg mit diesem surreal anmutenden Bild des schrecklichen Geschehens (siehe rechts).
Das Gemälde ist nun Teil der neuen Ausstellung, die das Basler Kunstmuseum in der Reihe «Fokus» im unteren Stock zeigt. In dieser Reihe präsentiert das Museum Werke eigener Bestände beispielsweise Max «Megge» Kämpf von der gleichen Generation wie Stoecklin. Von ihm sind nun mehr als 20 Werke aus dem Bestand des Museums zu sehen. Wobei man zumindest in Basel niemandem Stoecklin vorstellen muss: Er gilt nach wie vor als einer der wichtigsten einheimischen Gestalter wie etwa die Zeichnerin Irène Zurkinden.
Akt der Solidarität
Im Jahr 1940 musste die Schweiz wiederum Angst haben, vom Kriegsgeschehen eingeholt zu werden. In jener schweren Zeit erinnerte sich die Leitung des Basler Kunstmuseums an das surreale Werk von Niklaus Stoecklin mit einem Krater auf dem Hartmannswillerkopf und kaufte es. Aus heutiger Sicht war das ein symbolischer Akt der Solidarität mit den neuen Kriegsopfern. Man schlug den Bogen von einer Katastrophe zur nächsten.
Spannend ist der Vergleich dieses Bildes mit einem andern Werk, das Niklaus Stoecklin 1916 gemalt hatte (siehe oben rechts). Es zeigt einen Teil des Lago Maggiore als landschaftliche Schönheit, wenn auch als eine eiskalte, fast abweisende. Offenkundig sollte es mitten in der entbehrungsreichen Zeit dem Betrachter einen Augenblick der Ruhe und Einkehr gönnen und von den Unbilden ablenken – ohne aber Geborgenheit zu vermitteln.
«Poesie der Dinge»
Laut der Basler Kuratorin Nina Zimmer war Niklaus Stoecklin «eine eigenständige Figur, die international zu wenig beachtet wurde». Allerdings sei er in den letzten Jahrzehnten zunehmend an internationalen Gruppenausstellungen vertreten gewesen. Stoecklin setzte in seinen jüngeren Jahren auf die damalige Avantgarde, ohne sich je von einer Richtung ganz vereinnahmen zu lassen. Später wandte er sich der Neuen Sachlichkeit zu, dem oft detailgetreuen, kühl-distanzierten Gegenständlichen. Der inzwischen verstorbene Basler Journalist Hans Krattiger setzte Stoecklin zum 80. Geburtstag ein kleines Denkmal mit den Worten: «Die Poesie der Dinge – das ist’s, was Stoecklins Kunst ausmacht. Schon am Anfang in jener Zeit, als andere nur Trümmer und Scherben sahen; Stoecklin sah sie auch, aber er sah aus den Trümmern neues Leben blühen.» Er sei deshalb keineswegs ein Träumer oder Romantiker gewesen. Sondern vielmehr ein «Glaubender, wozu ihm das von seinem Vater geerbte Interesse an den Naturwissenschaften, vor allem der Botanik, verholfen haben könnte».
Stoecklin besuchte 1914 die Kunstgewerbeschule München und nach dem Kriegsausbruch die damalige Basler Gewerbeschule. Im selben Jahr hatte er mit 18 Jahren seine erste Ausstellung in der lokalen Kunsthalle. 1921 brach er zu Studienaufenthalten nach Italien auf. Er erhielt einen Kunstkredit für das Fresko über der Ehestandstafel auf dem Basler Münsterplatz, das noch heute zu sehen ist. Mitte der 20er war er der einzige Schweizer an der Ausstellung «Neue Sachlichkeit» in der Kunsthalle Mannheim. Er war verheiratet und Vater einer Tochter.
Legendäres Plakat
1927 hatte Stoecklin seine erste Retrospektive im Kunstmuseum Winterthur. Es folgte eine Reihe weiterer Ausstellungen. Landesweit bekannt wurde er dank seiner Werbeplakate; etwa das legendäre Gaba-Plakat mit dem markanten Schlund, der nach einem «Dääfeli» giert. Im Alter war er eine hoch angesehene Persönlichkeit in Basel. Dazu trug sein aktives Engagement für die Fasnacht bei: Er malte zahlreiche Bilder mit Fasnachtssujets.
So gesehen ist es Wasser in den Rhein geschüttet, wenn ausgerechnet das Basler Kunstmuseum an Stoecklin erinnert. Kuratorin Zimmer erklärt dazu, dass das Haus aus diesem Grund keine grössere Schau zeige: «Es wäre schön, wenn das andere ausserhalb von Basel übernehmen würden.»
Übrigens: Das Ringen um den Hartmannswillerkopf ging unentschieden aus – 30 000 Soldaten verloren ihr Leben für nichts.
Fokus: Niklaus Stoecklin
Sa, 10.8.–So, 3.11.
Kunstmuseum Basel