Wie auf einem anderen Planeten
Zeichnungen und Aquarelle bringen dem Betrachter das ungewöhnliche Leben von Alberto Giacometti im Bergell und in Paris näher – im Kunsthaus Zürich.
Inhalt
Kulturtipp 05/2014
Rolf Hürzeler
Rue Froidevaux 37, gleich beim Friedhof Montparnasse mitten in Paris: Hier hatte Alberto Giacometti (1901–1966) sein erstes Atelier in Paris. Das Haus steht nicht mehr; es ist einem architektonisch ansprechenden Betonbau gewichen. Im Parterre hat sich ein Begräbnisinstitut eingerichtet «Articles funeraires Braconneur» steht in dunklen Lettern geschrieben.
Giacometti und sein Bruder Diego kamen im Winter 1925 hierher und zogen eineinhalb Jahre später ...
Rue Froidevaux 37, gleich beim Friedhof Montparnasse mitten in Paris: Hier hatte Alberto Giacometti (1901–1966) sein erstes Atelier in Paris. Das Haus steht nicht mehr; es ist einem architektonisch ansprechenden Betonbau gewichen. Im Parterre hat sich ein Begräbnisinstitut eingerichtet «Articles funeraires Braconneur» steht in dunklen Lettern geschrieben.
Giacometti und sein Bruder Diego kamen im Winter 1925 hierher und zogen eineinhalb Jahre später in ein kleines Atelier in der Rue Hippolyte-Maindron, zehn Minuten Fussweg entfernt. Dieses kleine Gebäude ist heute noch erhalten – direkt neben einer Primarschule.
Radikaler Kontrast
Hier könnte das Bergell nicht entfernter sein: Der Gedanke an den Piz Cengalo und den Piz Badile, jenen über 3000 Meter hohen Kletterfelsen an der italienisch-schweizerischen Grenze, erscheint surreal. Man ahnt, welch einen Kulturschock Giacometti in den 1920er Jahren erfahren hatte, als er nach Paris kam. Er muss sich in Montparnasse wie auf einem andern Planeten gefühlt haben – auf einem besseren allerdings als im engen Zuhause. Denn der Künstler blieb zeitlebens an der Hippolyte-Maindron, einer Strasse, die ihren wohnlichen, kleingewerblichen Charakter jener Zeit wahren durfte.
Der Wechsel der Umgebung spiegelte sich in Giacomettis Werk: In den 1920ern wandte er sich dem Surrealismus zu – der radikale Kontrast zu seinem Frühwerk. Er fand in dieser Bewegung jedoch nicht die wirkliche Inspiration und sagte sich ein paar Jahre später los. Eine Trennung, die für ihn schmerzhafter war als der Abschied aus dem Bergell.
Das Zürcher Kunsthaus zeigt nun einen Überblick der Zeichnungen und Aquarelle, die Giacometti in seiner Jugend im Bergell und später in Paris schuf. Darunter sind Landschaften, Selbstbildnisse und Porträts von Familienangehörigen – bis zu den Figurenstudien in seinem Spätwerk. Die Werke bringen dem Betrachter die Lebenswelt von Giacometti näher, sodass man dem Charakter dieses rätselhaften Menschen etwas näher kommt.
Alberto Giacometti.
Zeichnungen und Aquarelle
Fr, 28.2.–So, 25.5.
Kunsthaus Zürich