Westlicher Wohlstand mit Gold versetzt
Asiatische Exotik als westliche Provokation: Der vietnamesische Künstler Danh Võ hält den Europäern im Kunsthaus Bregenz ein freches Spiegelbild vor.
Inhalt
Kulturtipp 09/2012
Rolf Hürzeler
Vergoldete Coca-Cola-Kisten als Markenzeichen für den Kapitalismus. Die simple Verpackung erhält durch das Vergolden eine Bedeutung, die ihr nicht zusteht. Damit zeigt der 37-jährige Danh VÕ, wie seltsam die westlichen Wertvorstellungen aus seiner Sicht sind. Dieses Werk steht in seiner neuen Schau im Bregenzer Kunsthaus.
Die hintergründige Ironie dieser Installation: Danh VÕ (ausgesprochen Jan Vo) lebt just wegen dieser Wertvorstellungen im Westen...
Vergoldete Coca-Cola-Kisten als Markenzeichen für den Kapitalismus. Die simple Verpackung erhält durch das Vergolden eine Bedeutung, die ihr nicht zusteht. Damit zeigt der 37-jährige Danh VÕ, wie seltsam die westlichen Wertvorstellungen aus seiner Sicht sind. Dieses Werk steht in seiner neuen Schau im Bregenzer Kunsthaus.
Die hintergründige Ironie dieser Installation: Danh VÕ (ausgesprochen Jan Vo) lebt just wegen dieser Wertvorstellungen im Westen. Denn seine Familie gehörte zu jenen Tausenden von vietnamesischen Boots-Flüchtlingen, die in den 70ern aus ihrer Heimat flüchteten. Sie konnten nach der US-amerikanischen Niederlage im Vietnam-Krieg die neuen kommunistischen Verhältnisse nicht akzeptieren und erhofften sich im Westen ein besseres Leben. So musste der vierjährige Danh mit seiner Familie in eines jener prekären Boote steigen, die für viele das sichere Ende bedeuteten. Doch die Familie hatte Glück und überlebte. Denn ein dänischer Frachter der Maersk-Gruppe griff sie auf. Die VÕs erhielten in Kopenhagen politisches Asyl und kamen später nach Deutschland. Danh VÕ lebt heute in Berlin und New York.
Hat sich die Flucht ins europäische Paradies gelohnt? Die Coca-Cola-Installation lässt zumindest Zweifel aufkommen. Sie ist Teil eines grossen Goldsaals, der die Besucher im Kunsthaus Bregenz erwartet. Aus den Cola-Goldkisten quellen Plastikfolien, die mit ebenfalls vergoldeten asiatischen Pflänzchen versehen sind, eine Art Referenz an die Wurzeln von Danh VÕ. Und der Raum ist
mit einer goldenen Inschrift versehen, die aus der Feder seines Vaters stammt. Der alte Mann erzählt das Aschenputtel-Märchen auf Englisch, also die Geschichte von Cinderella, obschon er selbst die Sprache nicht versteht. Aber der Senior wies sich in seiner Jugend als eine Art Kalligraf aus, «weil er die Menukarten seiner vietnamesischen Imbissbude stets kunstvoll zeichnete», sagt der Bregenzer Kunsthaus-Direktor Yilmaz Dziewior. Mit andern Worten: VÕ verbindet sein westliches Leben stets mit seiner Herkunft.
In dieses Kapitel gehören die Rolex-Armbanduhr (Bild unten links) und das Dupont-Feuerzeug: Mit dem Verkauf einer solchen Uhr finanzierte der Vater die waghalsige Flucht in den Westen. Das Feuerzeug leistete er sich mit dem Geld, das er in der neuen Heimat verdienen konnte. Beide Gegenstände sind für das Leben nicht notwendig; sie versinnbildlichen aber den angeblich erstrebenswerten Wohlstand. In Bregenz ist auch der alte Motor eines Mercedes ausgestellt; die Maschine soll im ersten Wagen des Vaters gedient haben. Der Künstler-Sohn kaufte sie ihm ab und funktionierte sie flugs zum Kunstobjekt um.
Danh VÕ gehört zu den angesagten Künstlern der Gegenwart. In der Schweiz machte er vor drei Jahren mit einer Ausstellung in der Basler Kunsthalle auf sich aufmerksam. Im Mittelpunkt jener Schau stand ein gewaltiger Kronleuchter (Bild unten), der früher im Pariser Hotel Majestic gehangen haben soll. Dieser Leuchter war in den 70ern den meisten Menschen vertraut, weil sie ihn unzählige Male auf Pressebildern gesehen haben. Denn in jenem Hotel Majestic fanden die vietnamesisch-amerikanischen Friedensverhandlungen statt, die den Rückzug der US-Amerikaner besiegelten.
Ironisierung
Wie bei jedem Künstler, der im Trend liegt, ranken sich um Danh VÕ Gerüchte. So soll der schwule VÕ mehrmals geheiratet haben. Mit immer neuen Namen wollte er der Kunstwelt möglichst entrückt bleiben. Denn auch das gehört zu VÕ: Er versucht, sich dem Kunstbetrieb immer wieder zu entziehen, wie das deutsche Fachblatt «Art Mag» schreibt: «Je mehr über ihn geschrieben wird, desto mehr verschwindet er hinter den Worten.» Der Berliner Kunstkritiker Gerrit Gohlke vergleicht das Werk VÕs mit einer «Unterhaltungsshow über das Leben und Werden eines Flüchtlings, der seine Heimat im glamourösen internationalen Kunstbetrieb findet». Danh VÕ musste den Vorwurf hören, er beute seine Vergangenheit aus und kommerzialisiere das Flüchtlingsschicksal. Doch diese Kritik greift zu kurz, weil er seine Herkunft ebenso ironisiert wie die Gegenwart.
Das Verwirrspiel mit der Kunstwelt zieht er selbst im intimen Bereich durch, etwa mit dem Foto Händchen haltender Asiaten (Bild unten). Aus westlicher Sicht wirken die Männer wie ein Liebespaar. Weit gefehlt: Im asiatischen Kontext ist der Gedanke an eine gleichgeschlechtliche Beziehung solchermassen tabuisiert, dass das Bild als unverfänglich wahrgenommen wird. Danh VÕ verweist den westlichen Betrachter damit listig auf eine falsche Fährte. Schwul oder doch nicht oder vielleicht doch? Er kokettiert mit seiner Rolle als schwuler Star der Kunstszene.
Irritationen
So lohnt es sich für den Betrachter, den Werken von VÕ stets mit Misstrauen zu begegnen. Denn was man auf den ersten Blick zu verstehen glaubt, erweist sich bei näherem Betrachten als Fehleinschätzung. Die Besucher machen an der neuen Bregenzer Ausstellung genau diese Erfahrung.
Eine letzte kleine Irritation: Danh VÕ nennt seine Bregenzer Ausstellung «VÕ Danh», das ist nicht etwa sein Name in umgekehrter Reihenfolge geschrieben. Das heisst vielmehr auf Vietnamesisch «Namenlos».