Ein Flöte spielender Junge in einer gebirgigen Landschaft: Es ist ein Bild, das viele kennen. Nicht alle dürften wissen, dass es sich um eine Fotografie von Werner Bischof handelt. Das Bild mit dem Titel «Auf dem Weg nach Cuzco» ist datiert und situiert: «Valle Sagrado, Peru 1954». Es gehört zu den späten und letzten Bildern des berühmten Fotografen. Am 16. Mai 1954 ist Bischof in den peruanischen Anden tödlich verunglückt. Er wurde nur 38 Jahre alt.
Es ist ein sogenanntes ikonisches Bild. Von ihnen gibt es im Werk von Werner Bischof etliche. Sie sind in der repräsentativen Auswahl der Ausstellung im Bellpark in Kriens alle vertreten. «Bilder, die zum kulturellen Gedächtnis gehören», wie Museumsleiter Hilar Stadler sagt. Zu sehen ist der «bekannte» Bischof, der in den wenigen Jahren, die ihm als Fotograf vergönnt waren, ein umfangreiches Werk geschaffen hat. Mit Bildern aus dem Europa nach 1945, wo er den Spuren der Verwüstung durch den Zweiten Weltkrieg nachgegangen ist. Mit Bildern aus Asien, wo Bischof sich gut ein Jahr aufhielt, allein zehn Monate davon in Japan, das ihn ungemein faszinierte. Krieg und Elend auch im Osten wieder: Werner Bischof hat Anfang der 1950er-Jahre aufrüttelnde Fotos von der Hungersnot in Indien gemacht. Und er ist nach Korea und Indochina gereist, wo Bilder aus dem Krieg entstanden.
Anteilnahme, nicht Ausbeutung
Werner Bischof, 1916 in Zürich geboren, besucht von 1932 bis 1936 die dortige Kunstgewerbeschule, wo er sich zum Fotografen ausbilden lässt. Im eigenen Studio praktiziert er anschliessend Mode- und Werbefotografie. Ab 1944 widmet er sich sozialen und politischen Themen. Bischof wird 1949 für die renommierte Fotografen-Kooperative Magnum tätig, die als Agentur Bilder in der ganzen Welt verbreitet. Zu Bischofs Kollegen gehören Berühmtheiten wie Henri Cartier Bresson und Robert Capa. Bischof publiziert in den renommiertesten Blättern seiner Zeit, von «Life» bis «Paris Match».
Werner Bischof war Reporter mit der Kamera. Doch er gehörte nicht zur Kategorie der «rasenden» Bildjournalisten, es ging ihm um Vertiefung, um Anteilnahme. Wichtig war ihm stets der Blick auf die Menschen und ihre Kultur. «Mich hat bei Werner Bischof immer beeindruckt, mit welcher Würde er Menschen selbst in ihrem Elend darstellt», sagt Hilar Stadler. Nie habe er die Menschen für seine Bilder ausgebeutet. Vielmehr verband er sein Fotografieren mit einer politischen Haltung, mit einem Bewusstsein, er vermittelte eine Botschaft, wollte etwas bewirken.
Werner Bischof vertrat kunstvoll fotografierend einen eigenen «Standpunkt» – so auch der Titel der Monografie zu seinem 100. Geburtstag und der Ausstellung.
Seine Bilder verbinden Wahrheit und Schönheit, sein Werk ist politisch und poetisch, sein angewandtes Fotografieren aus der Wirklichkeit wird zur Kunst. Letztlich «verleiht Bischof einem Bild über das historische Ereignis hinaus eine Gültigkeit: die des Menschseins», wie Stadler sagt.
Originalprints, Skizzen und Kontaktabzüge
Keine Frage: Werner Bischof gehört unter den Schweizer Fotografen neben René Burri zu den ganz Grossen. Er ist Klassiker und darf – im internationalen Kontext – zu den wichtigsten Fotografen des 20. Jahrhunderts gezählt werden. Erlangt hat er eine solche Stellung nicht zuletzt dadurch, dass seine Bilder aus fernen Zeiten «uns berühren, uns immer noch etwas angehen», wie es Hilar Stadler ausdrückt.
Die Ausstellung wartet mit Originalprints auf, also mit den von Werner Bischof seinerzeit selber entwickelten Bildern. Es sind ursprüngliche Bildformate und -ausschnitte, die nicht immer den Druckversionen entsprachen, so, wie es Bildredaktionen für die Zeitschriften gegebenenfalls ausschnittweise ins Layout einfügten. Hilar Stadler: «Die Originalprints zeigen, wie der Fotograf seine eigenen Bilder interpretiert hat», sie seien sozusagen der «Daumenabdruck des Meisters».
Als Besonderheit bietet die Werkschau neue Aspekte zum Werk. Dann zum Beispiel, wenn auch Kontaktabzüge zu sehen sind. «Sie machen das Umfeld sichtbar, geben Einblick in den Arbeitsprozess. Man sieht, welche Fotos Werner Bischof schliesslich ausgewählt hat», sagt Stadler.
Bischof wollte bildender Künstler werden
Die Ausstellung «Standpunkt» orientiert sich als Deutschschweizer Adaption an der grossen Bischof-Werkschau zu dessen 100. Geburtstag 2016 im Musée de l’Elysée in Lausanne. Neben Fotografien zeigt das Museum im Bellpark Skizzen- und Notizbücher. Man erkennt, welch talentierter Zeichner er war. Werner Bischof wollte bildender Künstler werden, ein Plan, den der Zweite Weltkrieg zunichtemachte, weil der junge Schweizer 1939 die Kunststadt Paris gleich wieder verlassen musste.
Ausstellung
Werner Bischof – Standpunkt
Museum im Bellpark Kriens LU
Sa, 25.8.–So, 4.11.
Eröffnung: Fr, 24.8., 19.00
www.bellpark.ch
Monografie
Werner Bischof
Standpunkt
12 Seiten
(Scheidegger & Spiess 2016)