«Wer auf der Welt» Von Menschen am Rand
Die (unbeholfene) Suche nach dem grossen Glück: Um dieses Thema kreist die Produktion des Theater Barsch fürs Treibstoff-Festival.
Inhalt
Kulturtipp 18/2011
Claudine Gaibrois
«Entführungen sind auch nicht mehr, was sie einmal waren», beklagt sich der Polizist, als er den Schauplatz des Verbrechens betritt. «Wenn ich früher mit dem Koffer reinkam, gab es immer ein grosses Hallo. Und danach ein kaltes Buffet.» Der Mann ist abgebrüht – signalisiert er zumindest. Die verspiegelte Sonnenbrille nimmt er nicht ab, die Zigarette bleibt im Mundwinkel, wenn er spricht.
Ganz anders der biedere und schüchterne Entfü...
«Entführungen sind auch nicht mehr, was sie einmal waren», beklagt sich der Polizist, als er den Schauplatz des Verbrechens betritt. «Wenn ich früher mit dem Koffer reinkam, gab es immer ein grosses Hallo. Und danach ein kaltes Buffet.» Der Mann ist abgebrüht – signalisiert er zumindest. Die verspiegelte Sonnenbrille nimmt er nicht ab, die Zigarette bleibt im Mundwinkel, wenn er spricht.
Ganz anders der biedere und schüchterne Entführer: Offensichtlich überrumpelt gesteht er, dass dies seine erste Entführung sei, und dankt dem coolen Staatsvertreter «sehr herzlich» fürs Kommen. Und das Entführungsopfer? Steht schüchtern da und bemüht sich nach Kräften, dem Wunsch des Polizisten nach Häppchen zumindest ein wenig zu genügen. Immerhin schafft sie es, diesem ein Tellerchen voll Gummibärchen zu reichen. Als ehemalige Kioskfrau hat sie die Kinder-Süssigkeit zum Glück zur Hand.
Liebenswert
Lustig kommt sie daher, die Szene aus der Produktion «Wer auf der Welt» von Autor Lukas Linder und Regisseur Jonas Gillmann, den Gründern des Theater Barsch. Die einstündige Erstaufführung des Stücks zeigt die Truppe im Rahmen der «Treibstoff Theatertage Basel», eines alle zwei Jahre stattfindenden Festivals für junge Theaterschaffende. Doch das Lachen bleibt im Hals stecken. Der mutige Plan des Entführers und seines Opfers geht nicht auf. Beide, arbeitslos geworden, suchen nach einem Weg, zu Geld zu kommen – und damit auch zum Glück, wie sie hoffen. Sie inszenieren eine Entführung, die kläglich scheitert.
Ihre Arbeitslosigkeit motiviert die zwei zwar zur Tat. Aber im grotesken Stück geht es nicht um die Kritik an der Arbeitswelt in Zeiten des Neoliberalismus, wie Regisseur Jonas Gillmann betont. Vielmehr drehe es sich um die Frage, wie die beiden Aussenseiter «in einem System funktionieren, in dem sie nicht mehr gebraucht werden». Entführer und Entführte seien «Menschen mit einer Welt im Hintergrund, die es ihnen nicht ganz leicht macht». Dass sie nicht erfolgreich seien, mache sie so liebenswert.