«Weiss der Himmel»
Willkommen auf Skios: Der betagte englische Schriftsteller Michael Frayn hat eine köstliche Verwechslungskomödie geschrieben – in Romanform. Der kleine Band bietet grosses Lesevergnügen.
Inhalt
Kulturtipp 12/2013
Rolf Hürzeler
Der flamboyante Oliver Fox ist ein Glücksritter. Bei seiner Ankunft auf der fiktiven griechischen Ferieninsel Skios erkennt er nach einer Verwechslung auf dem Flughafen die Chance, eine andere Identität anzunehmen. Nur für ein paar Stunden will er die Rolle des Wissenschaftlers Norman Wilfred spielen. Dieser soll auf Einladung der akademischen Fred Toppler Stiftung auf einem Seminar eine Rede halten. Der Schriftsteller Michael Frayn entwickelt daraus eine köstliche Slapsti...
Der flamboyante Oliver Fox ist ein Glücksritter. Bei seiner Ankunft auf der fiktiven griechischen Ferieninsel Skios erkennt er nach einer Verwechslung auf dem Flughafen die Chance, eine andere Identität anzunehmen. Nur für ein paar Stunden will er die Rolle des Wissenschaftlers Norman Wilfred spielen. Dieser soll auf Einladung der akademischen Fred Toppler Stiftung auf einem Seminar eine Rede halten. Der Schriftsteller Michael Frayn entwickelt daraus eine köstliche Slapstick-Comedy, die den Leser in Atem hält.
Den Freund vor Augen
Fox findet schnell Gefallen an seiner neuen Persönlichkeit, und aus den Stunden werden flugs Tage. Die einladende Fred Toppler Stiftung bringt ihm all
die Ehrerbietung entgegen, die einem Akademiker von Welt gebührt. Die nette Stiftungssekretärin scheint sogar zu etwas mehr bereit zu sein als nur zur Ehrerbietung.
Und der richtige Dr. Norman Wilfred, der mit dem gleichen Flugzeug wie Fox auf Skios gelandet ist? Der wird just in die schicke Villa chauffiert, die Fox für sich ursprünglich als Liebesnest vorgesehen hat. Und was den Wissenschaftler dort erwartet, ist auch nicht ganz ohne.
Die Geschichte spitzt sich nach und nach zu. Denn der Hochstapler Oliver Fox hat keine Ahnung, welche wissenschaftliche Rolle er der Stiftung vorspielen soll. Doch mit Geschick kann er sich immer wieder herauswinden. So antwortet er auf die Frage nach dem Sinn seines letzten Buches: «Weiss der Himmel!» Und die Herzen der Fred-Toppler-Anhänger fliegen ihm zu.
Was lustig klingt, hat einen ernsten Hintergrund, wie der Schriftsteller Michael Frayn dem «Observer» sagte. Er dachte beim Schreiben an einen manisch-depressiven Freund, «der in seiner manischen Phase zu allem fähig war». Genauso wie der Angeber Oliver Fox im Roman.
Man kennt den 80-jährigen Michael Frayn in der Schweiz vor allem als Bühnenautor. Er feierte grosse Erfolge mit seiner Komödie «Der nackte Wahnsinn», die in verschiedenen Theatern zu sehen war, zuletzt in Luzern.
Auch Ernsthaftigkeit
Frayn ist allerdings nicht nur ein ungemein witziger Autor. Er ist schriftstellerisch auch ernsthaften Themen gewachsen. So brachte er im Stück «Demokratie» die Affäre um den DDR-Spion Günter Guillaume in den Diensten des damaligen deutsche Bundeskanzlers Willy Brandt ins Theater. Und im Stück «Kopenhagen» sprechen die beiden Atomphysiker Niels Bohr und Werner Heisenberg im Zweiten Weltkrieg über die moralische Verantwortung der Wissenschaft. Wie diese Stücke zeigen, hat Frayn eine grosse Affinität zu Deutschland. Er arbeitete in den 70ern als Korrespondent des «Guardian» in Berlin. Heute lebt er mit der renommierten Dickens-Biografin Claire Tomalin in London.
Und wie geht die Geschichte des falschen Wissenschaftlers auf der sonnigen Ferieninsel Skios aus? Nur so viel: Alles kommt ganz anders, als man denkt. Und das macht dieses Buch so lesenswert.
Michael Frayn
«Skios»
284 Seiten
(Carl Hanser Verlag 2013).